Ich merkte, wie sich meine Miene verfinsterte. Es macht mir nichts aus, Lügner genannt zu werden. Ich bin einer, ein ganz fabelhafter sogar. Aber ich will nicht Lügner genannt werden, wenn ich zufällig die reine Wahrheit sage.
Mein finsteres Gesicht schien Felurian zu überzeugen, obwohl es einen anderen Grund hatte. »aber du warst wie ein leichtes sommergewitter.« Sie machte eine flatternde Handbewegung. »ein wackerer tänzer auf dem feld.« In ihre Augen trat ein schelmisches Glitzern.
Ich merkte mir ihre Worte für spätere Verwendung zur Stärkung meines Selbstbewusstseins. »Ich bin auch kein völliger Grünschnabel«, sagte ich ein wenig gekränkt. »Ich habe verschiedene Bücher gelesen …«
Felurian gluckste wie ein plätscherndes Bächlein. »aus büchern gelernt hast du.« Sie musterte mich unsicher, ob sie mich ernst nehmen durfte. Dann lachte sie, verstummte und lachte wieder. Ich wusste nicht, ob ich beleidigt sein sollte.
»Und du warst ziemlich gut«, sagte ich hastig. Es klang wie das verspätete Kompliment eines Essensgastes. »Denn ich habe gelesen …«
»bücher? bücher! du vergleichst mich mit büchern!« Sie funkelte mich wütend an. Dann, ohne Atem zu holen, lachte sie wieder entzückt. Ihr Lachen war so wild wie der Schrei des Fuchses und so klar und scharf wie morgendliches Vogelgezwitscher. Es hatte nichts Menschliches.
Ich setzte eine Unschuldsmiene auf. »Ist es denn nicht immer so?«, fragte ich äußerlich ruhig, aber innerlich auf den nächsten Wutausbruch gefasst.
Sie starrte mich nur an. »ich bin Felurian.«
Es klang wie eine Erklärung, als hätte sie eine stolze Fahne aufgezogen.
Ich sah sie einen Moment lang an, seufzte und senkte den Blick auf meine Laute. »Entschuldige das Lied. Ich wollte dich nicht kränken.«
»aber es war schöner als die abendsonne«, protestierte sie. Sie klang den Tränen nahe. »bis auf …
Ich legte die Laute in den Kasten zurück. »Es tut mir leid, ich kann das nicht verbessern, solange ich keinen Vergleich habe.« Ich seufzte wieder. »Schade, denn das Lied war gut. Man hätte es noch in tausend Jahren gesungen.« Ich legte tiefstes Bedauern in meine Stimme.
Felurians Miene hellte sich auf, als sei ihr etwas eingefallen. Sie musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, als wollte sie meine Gedanken lesen.
Sie hatte mich durchschaut. Sie wusste, dass ich sie mit dem unvollendeten Lied erpressen wollte. Die unausgesprochene Botschaft lautete: Nur wenn ich gehe, werde ich das Lied je zu Ende schreiben können. Andernfalls wird niemand je die schönen Worte vernehmen, die ich für dich gedichtet habe. Solange ich nicht gehe und die Früchte koste, die sterbliche Frauen zu bieten haben, werde ich nie wissen, was du wirklich kannst.
Inmitten der vielen Kissen und unter dem ewigen Dämmerhimmel sahen Felurian und ich uns an. Auf ihrer Hand saß ein Schmetterling, meine Hand lag auf dem glatten Holz der Laute. Zwei schwerbewaffnete Ritter hätten sich über ein blutiges Schlachtfeld hinweg nicht grimmiger anstarren können.
»wenn du gehst, wirst du das lied zu ende schreiben?« Felurian sprach langsam und abwägend. Ich setzte eine überraschte Miene auf, konnte sie aber nicht täuschen. Also nickte ich nur. »kommst du dann zurück und singst es mir vor?«
Diesmal war meine Überraschung echt. Mit diesem Wunsch hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste, dass sie mich kein zweites Mal freigeben würde. Deshalb zögerte ich, aber nur einen kurzen Moment. Es war immerhin besser als nichts. Ich nickte.
»versprichst du es?« Wieder nickte ich. »mit einem kuss?« Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken wie eine Blume, die sich von der Sonne bescheinen lässt.
Das Leben ist zu kurz, um ein solches Angebot auszuschlagen. Ich kroch zu ihr, zog ihren nackten Leib an mich und küsste sie so gut, wie meine beschränkte Erfahrung es mir erlaubte. Felurian schien es zu genügen.
Als ich mich wieder löste, blickte sie zu mir auf und seufzte. »deine küsse sind wie schneeflocken auf meinen lippen.« Sie sank in die Kissen zurück und legte den Kopf auf ihren Arm. Mit der freien Hand strich sie mir über die Wange.
Zu sagen, sie sei schön, wäre eine hoffnungslose Untertreibung gewesen. Erst jetzt merkte ich, dass sie in den vergangenen Minuten gar nicht versucht hatte, mein Verlangen nach ihr zu wecken, zumindest nicht mit übernatürlichen Mitteln.
Sie berührte meine Hand ganz leicht mit den Lippen und ließ sie wieder los. Dann lag sie nur da und sah mich eindringlich an.
Ich war geschmeichelt. Ich weiß bis heute nur eine Antwort auf eine so höfliche Einladung. Ich beugte mich zu ihr hinunter und küsste sie. Und sie schloss mich lachend in die Arme.
Kapitel 99
Zaubern einer anderen Art
Zu dieser Zeit meines Lebens hatte ich mir bereits einen gewissen Ruf erworben.
Nein, das stimmt eigentlich nicht. Ich sage lieber, ich hatte mir einen Ruf aufgebaut. Ich hatte zielstrebig darauf hingearbeitet und ihn stetig vermehrt.