Er dachte bei sich: „Ein Jahr ohne Lachen ist lang, aber ein Leben ohne Lachen ist unerträglich. Ich muß dieses Jahr durchstehen. An seinem Ende werde ich vielleicht wissen, wie ich den Baron übertölpeln kann. Als Geschäftsmann kann ich ihm nicht beikommen; aber vielleicht komme ich dem privaten Baron Lefuet auf die Schliche.“
Als ob er Timms Gedanken erraten habe, sagte Lefuet nun: „Ich schlage Ihnen vor, Herr Thaler, daß wir dieses Jahr für eine Weltreise benutzen, die wir gemeinsam und privat unternehmen. Ich schenke Ihnen diese Weltreise zum Geburtstag. Übrigens nachträglich meinen herzlichen Glückwunsch!“ Ein kullerndes Lachen und der Druck einer sehr kühlen Hand.
„Danke sehr“, sagte Timm. Dann trank er einen Schluck heißen Tee.
„Wissen Sie, daß Sie soeben den Rum des Steuermanns Jonny getrunken haben, Herr Thaler?“
„Wie bitte?“
„Sie haben in Genua die zwei Flaschen Rum vergessen, die Sie vom Steuermann gewonnen haben. Man brachte sie ins Hotel, und ich ließ sie hierherschaffen, damit Sie auch tatsächlich in den Genuß der gewonnenen Wetten kämen. In Kleinigkeiten bin ich genau.“
Timm sagte darauf nichts. Er wiederholte in Gedanken wieder einmal Jonnys Spruch:
„Lehre mich lachen; rette meine Seele, Steuermann! “
Lefuet unterbrach die Gedanken des Jungen: „Kommen wir zum Geschäft, Herr Thaler! Sprechen wir von Margarine.“
„Gut, Baron, kommen wir zum Geschäft!“
Der Baron war aufgestanden und ging - die Hände auf dem Rücken - im Pavillon auf und ab. Er hielt dabei eine kleine Rede.
„Sie wissen, Herr Thaler, daß die von uns geplante Marken-Margarine einen Namen haben muß, einen attraktiven, einprägsamen Namen, der am besten an etwas Bekanntes anknüpfen sollte. Wir haben lange über diesen Namen beraten; denn er ist sehr wichtig. Ein guter Warenname ist bares Geld.“
Timm nickte. Er begriff noch immer nicht, was das mit ihm zu tun hatte. Aber er sollte es gleich erfahren.
„Nach allen möglichen Vorschlägen...“ (der Baron ging weiter auf und ab) „... machte Selek Bei einen Vorschlag, den wir sofort und einstimmig als den weitaus besten akzeptierten. Selek Bei ist -das möchte ich noch bemerken - trotz seiner merkwürdigen Ideen ein sehr nützlicher Mann für uns. Aber das nebenbei. Sein Vorschlag für den Margarinenamen lautete: Timm-Thaler-Margarine.“
Lefuet blieb stehen und blickte den Jungen durch die dunklen Brillengläser an, die er jetzt fast immer trug.
In Timms Gesicht zeigte sich keine Veränderung. Der Junge schien den Vorschlag mit Gleichmut, wenn nicht sogar verständnislos aufzunehmen. Deshalb malte der Baron die Folgen aus:
„Sie müssen begreifen, Herr Thaler, daß es noch nirgends auf der Welt Marken-Margarine gibt. Wenn wir schlagartig, überraschend und mit großem Angebot damit auf den Markt kommen, gelingt es uns vielleicht, den Weltmarkt für Margarine zu beherrschen. In einigen südamerikanischen Ländern werden wir uns sogar das Monopol für den Margarinehandel kaufen können. Das bedeutet, Herr Thaler, daß Ihr Name von New York bis Tokio, von Stockholm bis Kapstadt in aller Munde sein wird. Noch der kleinste Kramladen in einem abgelegenen persischen Dorf wird unter Ihrem Namen Margarine verkaufen. Und überall wird blau auf gelb das Photo eines lachenden Jungen zu sehen sein: Ihr Photo!“
Jetzt war Timm ganz und gar gesammelte Aufmerksamkeit. Leise fragte er: „Wie soll ich lachen, wenn ich nicht lachen kann?“
„Das ist eine zweitrangige Frage, Herr Thaler, auf die ich gleich komme. Zunächst die Frage: Sind Sie mit dem Margarinenamen einverstanden?“
Timm ließ sich Zeit mit seiner Antwort.
Er hatte jetzt begriffen, warum dieser Markenname der Gesellschaft so nützlich war. Er, Timm Thaler, war der berühmte reiche Erbe, dessen Bild und Name in den Zeitungen der Welt immer wieder erschien. Sein Name würde also nicht durch die Margarine bekannt werden, sondern umgekehrt: Sein schon bekannter Name würde der Margarine nützen.
„Muß ich mich bald entscheiden, Baron?“
„Noch heute, Herr Thaler! In diesem Pavillon! Obwohl die Margarine erst in einem Jahr auf den Markt kommt, müssen die wichtigsten Entscheidungen bereits in diesen Tagen getroffen werden. Es muß unermeßlich viel Geld in die Vorbereitungen gesteckt werden. Wir spielen um einen so hohen Einsatz, daß unsere
Timm hatte eine Hand in die Jackett-Tasche gesteckt und fühlte plötzlich den Füllfederhalter Selek Beis. Die Bemerkung Lefuets, daß die ganze Gesellschaft durch Margarine vor die Hunde gehen könnte, klang in seinen Ohren nach. Wollte Selek Bei mit Hilfe dieses Füllfederhalters die Gesellschaft „vor die Hunde gehen“ lassen? War Selek Bei sein heimlicher Verbündeter?
Wie in Gedanken nahm der Junge die Füllfeder aus der Tasche und spielte damit, um sie im rechten Augenblick zur Hand zu haben.