Er erhob sich aus dem Sessel und führte - auf- und abgehend -ein Selbstgespräch.
„Merkwürdige Sache“, brummelte er vor sich hin. „Ich habe das Lachen gekauft, um Macht über Herzen zu bekommen. Und nun... “ (er blieb verdutzt stehen) „... nun habe ich Macht über mich selbst bekommen, Macht über meine Launen, meine fürchterlichen Launen. Ich habe sie nicht mehr: Ich lache sie fort!“
Er ging wieder auf und ab.
„Früher hätte ich getobt, wenn ich bei einer Machtprobe der Unterlegene gewesen wäre. Ich hätte einen Teppich zerbissen vor Wut. Jetzt bleibe ich sogar als Verlierer überlegen: Ich lache! “
Der Baron faßte sich - er sah beinahe glücklich aus - an den Kopf und rief: „Das ist ja unwahrscheinlich! All meine Überlegenheit habe ich durch Arglist und Tücke, durch Siege über andere stützen müssen. Jetzt fliegt mir das von selber zu, weil mir ein Kullern im Bauch zur Verfügung steht. Das Lachen ist ja mehr wert, als ich ahnte. Das muß man ja mit einem Königreich bezahlen!“
Abermals nahm ein Sessel den hageren Mann auf, dessen Gesicht für einen Augenblick die Züge des karierten Herrn vom Rennplatz annahm, die Züge der Verschlagenheit.
„Jage du nur deinem Lachen nach, Timm Thaler; du bekommst es nicht zurück! Das halte ich fest mit Zähnen und Klauen!“
Die Uniform junger reicher Erben sah zu Timms Zeit folgendermaßen aus: Graue Flanellhosen, ein rot-schwarzgestreiftes Jackett, ein blütenweißes Seidenhemd, eine rote Krawatte mit schottischem Muster, ebensolche Socken und braune W ildlederschuhe.
Timm stand in diesem Aufzug vor einem Spiegel, der bis auf den Boden reichte, und kämmte sich zum erstenmal in seinem Leben die Haare feucht. Auf dem Teppich zu seinen Füßen lag aufgeschlagen eine illustrierte Zeitung mit dem Photo eines Tennisspielers. Timm legte seine Haare ebenso wie der Tennisspieler. Es gelang ihm leidlich.
Eine Weile betrachtete der Junge sich im Spiegel und zog versuchsweise seine beiden Mundwinkel nach oben. Aber es sah nicht einmal nach der Andeutung eines Lachens aus.
Traurig wandte er sich ab und wanderte ziellos in den drei Räumen seines Appartements herum. Er probierte lustlos einen Schaukelstuhl aus, er betrachtete die Gemälde an den Wänden -lauter Schiffe auf hoher See - er hob den Hörer des elfenbeinfarbenen Telefons ab, legte ihn aber gleich wieder in die Gabel, und schließlich öffnete er die schnörkelig verzierte Ledermappe, die der Baron mitten auf die polierte Platte des Schreibtisches geschoben hatte.
Es war Briefpapier darin. In der linken oberen Ecke der Bogen stand in grauen geraden Druckbuchstaben:
timm thaler
eigentümer der baron-lefuet-gesellschaft
Rechts stand:
genua, den....
In einer seidenen Seitentasche der Mappe lagen Briefumschläge. Timm nahm einen heraus und las auf der Rückseite:
timm thaler, genova, italia, hotel palmaro
Der Junge ließ sich in dem Sessel vor dem Schreibtisch nieder, schraubte den Füllfederhalter auf, der neben der Mappe gelegen hatte, und beschloß, einen Brief zu schreiben.
Als er die Mappe zurückschob und einen der Bogen vom Stoß nahm, sah er in der Politur der Tischplatte den Briefkopf in Spiegelschrift:
relahtmmit
tfahcslleseg-teufel-norab red remütnegei
Dabei sprang ihm ein Wort in die Augen:
teufel
„Sieht aus, als ob dort Teufel stünde“, dachte Timm. „Aber“, fügte er in Gedanken hinzu, „wenn man vom Teufel gesprochen hat, sieht man ihn überall, und wenn es nur sein Name ist!“
Er schob sich den Bogen zurecht und begann einen Brief zu schreiben: