»Und welchen Kontakt hatten Sie mit ihm seitdem?« fragte Smiley, und Mikhel war plötzlich bei gestern angekommen. »Keinen bis gestern«, sagte Mikhel.
»Gestern nachmittag hat er mich angerufen. Max, ich schwöre Ihnen, ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr so aufgeregt gehört. Glücklich, ich würde sagen, ekstatisch. >Mikhel! Mikhel!< Max, der Mann war verzückt. Er würde am Abend zu mir kommen. Gestern abend. Spät möglicherweise, aber er wird mir die fünfzig Pfund bringen. >General<, sag ich zu ihm. >Was sind schon fünfzig Pfund? Sind Sie wohlauf? Sind Sie in Sicherheit? Erzählen Sie mir.< >Mikhel; ich war auf Fischfang, und ich bin glücklich. Bleiben Sie wach<, sagt er zu mir. >Ich bin um elf Uhr bei Ihnen, oder kurz danach. Mit dem Geld. Ich muß Sie auch im Schach schlagen, um meine Nerven zu beruhigen.< Ich bleibe wach, mache Tee, warte auf ihn. Max, ich bin Soldat, um mich habe ich keine Angst. Aber um den General, um diesen alten Mann hatte ich Angst. Ich rufe den Circus an, ein Notfall. Sie haben einfach eingehängt. Warum, Max? Warum haben Sie das getan, bitte?«
»Ich hatte nicht Dienst«, sagte Smiley und sah Mikhel jetzt so scharf an, wie er es irgend wagte. »Sagen Sie, Mikhel«, begann er.
»Max.«
»Was wollte Wladimir Ihrer Ansicht nach tun, nachdem er bei Ihnen angerufen hatte, um von der guten Nachricht zu sprechen und bevor er kommen würde, um die fünfzig Pfund zurückzuzahlen?«
Mikhel zögerte nicht. »Ich habe selbstverständlich angenommen, daß er zu Max gehen würde«, sagte er. »Er hatte seinen großen Fisch gelandet. Jetzt würde er zu Max gehen, seine Spesen verlangen, ihn mit der sensationellen Neuigkeit überraschen. Selbstverständlich«, wiederholte er und schaute Smiley ein bißchen zu fest in die Augen.
»Er kam also nicht, Sie riefen den Circus an, und wir haben Sie abblitzen lassen«, faßte Smiley kurz zusammen.
»Tut mir leid. Was haben Sie als nächstes getan?«
»Ich rufe Willem an. Ich wollte mich zunächst vergewissern, daß der Junge wohlauf war und ihn auch fragen: Wo ist unser Führer? Seine englische Frau hat mich angeschnauzt. Schließlich bin ich zu seiner Wohnung gegangen. Nicht gern - es war aufdringlich -, sein Privatleben geht niemand etwas an - aber ich bin hingegangen. Ich habe geläutet. Keine Antwort. Ich ging wieder nach Hause. Heute vormittag um elf ruft Jüri an. Ich hatte die Frühausgabe der Abendzeitungen nicht gelesen, ich bin kein Freund von englischen Zeitungen. Jüri hatte sie gelesen. Wladimir, unser Führer, war tot«, endete er.
Elvira stand neben ihm. Sie hatte zwei Gläser mit Wodka auf einem Tablett.
»Bitte«, sagte Mikhel. Smiley nahm ein Glas, Mikhel das andere. »Auf das Leben!« sagte Mikhel sehr laut und trank, während ihm die Tränen in die Augen schossen.
»Auf das Leben«, sagte Smiley, während Elvira sie beide beobachtete.
Sie ist mit ihm hingegangen, dachte Smiley. Sie hat Mikhel gezwungen, zur Wohnung des alten Mannes zu gehen, sie hat ihn bis vor seine Türe gezerrt.
»Haben Sie jemand anderem davon erzählt, Mikhel?« fragte Smiley, als sie wieder einmal wegging.
»Jüri traue ich nicht«, sagte Mikhel und schneuzte sich.
»Haben Sie Jüri von Willem erzählt?«
»Wie bitte?«
»Haben Sie ihm gegenüber Willem erwähnt? Haben Sie Jüri gegenüber durchblicken lassen, daß Willem in irgendeiner Weise mit Wladimir zu tun gehabt haben könnte?«
Mikhel hatte anscheinend keine dieser Sünden begangen.
»In dieser Sache sollten Sie niemandem trauen«, sagte Smiley in förmlicherem Ton, als er sich anschickte zu gehen. »Nicht einmal der Polizei. So lautet die Order. Die Polizei darf nicht erfahren, daß Wladimir bei einem Einsatz gestorben ist. Das ist wichtig für die Sicherheit. Die Ihre und die unsere. Sonst hat er Ihnen keine Botschaft übermittelt? Eine Nachricht für Max, zum Beispiel?«
Mikhel lächelte bedauernd.
»Hat Wladimir kürzlich Hector erwähnt?«
»Für ihn taugte Hector nichts.«
»Hat Wladimir das gesagt?«
»Bitte, Max. Ich habe nichts persönlich gegen Hector. Hector ist Hector, er ist kein Gentleman, aber in unserer Branche müssen wir viele Arten und Abarten von Menschen verwenden. Ich gebe nur die Meinung des Generals wieder. Unser Führer war ein alter Mann. >Hector<, sagt Wladimir zu mir, >Hector taugt nichts. Unser guter Postbote Hector ist wie die City-Banken. Wenn es regnet, heißt es, nehmen einem die Banken den Schirm weg. Unser Postbote Hector ist wie sie.< Bitte. Das sagt Wladimir. Nicht Mikhel. >Hector taugt nichts.<«
»Wann hat er das gesagt?«
»Er sagte es mehrmals.«
»Kürzlich?«
»Ja.«
»Wie kürzlich?«
»Kann zwei Monate her sein. Vielleicht weniger.«
»Nachdem er den Brief aus Paris erhielt oder vorher?«
»Nachher. Ganz fraglos.«