Einige sind wohlhabend und haben fruchtbare Äcker und ein mildes Klima. Oder sie verdienen prächtig an durchziehenden Händlern. Man sieht es ihnen an. Sie haben große, gepflegte Häuser und ihre Bewohner sind freundlich und freigiebig, die Kinder wohlgenährt und glücklich. Man kann dort teure Dinge wie Pfeffer, Zimt und Schokolade kaufen und im Wirtshaus gibt es Kaffee, guten Wein und Musik.
Daneben gibt es aber auch andere Orte mit dünnem, ausgelaugtem Boden, Orte, in denen die Mühle abgebrannt oder die Lehmgrube schon seit Jahren erschöpft ist. Dort sind die Häuser klein und baufällig, die Einwohner mager und misstrauisch, und Wohlstand bemisst sich in kleinen, anschaulichen Begriffen wie einem Klafter Holz, einem zweiten Schwein oder fünf Gläsern Brombeermarmelade.
Auf den ersten Blick schien Haert zu dieser zweiten Kategorie zu gehören. Es bestand nur aus kleinen, aus Bruchsteinen gemauerten Häusern und gelegentlich einem Stall mit einer Ziege.
In den meisten Gegenden des Commonwealth wie überhaupt in der zivilisierten Welt würde eine Familie in einem kleinen, kaum möblierten Häuschen als beklagenswert angesehen und nur einen Schritt von der Armut entfernt.
Bei den Adem dagegen waren die Häuser so geschickt und fest aus Steinen zusammengefügt, wie ich es selten gesehen hatte. Es gab nicht den kleinsten Spalt, durch den der Wind hätte eindringen können. Auch die Dächer waren dicht und das Leder der Türangeln war nicht gesprungen. Als Fenster dienten nicht etwa geölte Schafshäute oder einfach Löcher mit hölzernen Läden, sondern sorgfältig eingepasste Glasscheiben, die so dicht schlossen wie die Fenster einer Bankiersvilla.
Offene Feuerstellen sah ich in Haert überhaupt nicht. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Feuerstellen sind natürlich viel besser, als zu Tode zu frieren. Aber die meisten dieser von den Bewohnern selbst gebauten Feuerstellen aus losen Feldsteinen oder Ascheziegeln sind schmutzig und bringen nichts. Sie füllen das Haus mit Ruß und die Lungen seiner Bewohner mit Rauch.
Stattdessen hatte bei den Adem jedes Haus einen eigenen Ofen von der Art, die fünfzig Kilo wiegt, ein eisernes Ungetüm, das man schüren kann, bis das Eisen vor Hitze glüht. Solche Öfen halten hundert Jahre und kosten mehr, als ein Bauer in einem ganzen Jahr mühseliger Arbeit verdient. Einige waren kleiner und dienten zum Heizen und Kochen, die meisten aber waren so groß, dass man mit ihnen auch backen konnte. Einen solchen großen Ofen sah ich einmal sogar in einem kleinen Häuschen mit nur drei Zimmern.
Die Teppiche auf den Böden waren meist einfach, aber aus dicker, weicher Wolle in satten Farben gefertigt. Darunter kam nicht Erde, sondern ein Dielenboden. Statt flackernder Talgkerzen oder Fackeln gab es Kerzen aus Bienenwachs oder Lampen, die ein sauberes, weißes Öl verbrannten. Einmal sah ich durch ein Fenster in der Ferne sogar den stetigen roten Schein einer Sympathielampe.
Bei ihrem Anblick begriff ich vollends, dass ich es hier nicht mit einem Völkchen zu tun hatte, das in der kargen Bergwelt mühsam sein Leben fristete. Diese Menschen lebten nicht von der Hand in den Mund. Sie aßen nicht täglich Kohlsuppe und mussten sich auch nicht vor dem Winter fürchten. Sie lebten in einem behaglichen und zweckmäßigen, wenn auch unauffälligen Wohlstand.
Eigentlich war es noch besser. Zwar gab es in Haert keine prunkvollen Säle mit Statuen, und niemand trug prächtige Kleider oder hatte Diener, doch war jedes Haus für sich ein kleines Herrenhaus.
»Was dachtest du denn?« Vashet sah mich lachend an. »Dass einige von uns, sobald sie das Rot des Söldners tragen, wegziehen und ein Leben in Saus und Braus führen, während ihre Familien ihr eigenes Badewasser trinken müssen und an Skorbut sterben?«
»Ich habe überhaupt noch nicht darüber nachgedacht«, gestand ich und sah mich um. Vashet hatte soeben angefangen, mich im Schwertkampf zu unterrichten. Doch in den vergangenen zwei Stunden hatte sie mir nur die verschiedenen Arten gezeigt, es zu halten. Als sei es ein Säugling und nicht ein Stück Stahl.
Jetzt, wo ich wusste, wonach ich Ausschau halten musste, entdeckte ich Dutzende von Häusern, die geschickt in die Landschaft eingepasst waren. Einige schwere Holztüren waren direkt in den Felsen eingelassen. Andere Häuser sahen aus wie Steinhaufen. Wieder andere hatten mit Gras bewachsene Dächer und man konnte sie nur an den emporragenden Ofenrohren erkennen. Auf einem solchen Dach graste eine dicke Ziege. Jedes Mal, wenn sie den Hals streckte, um ein Maul voll Gras abzurupfen, schwang ihr Euter hin und her.
»Sieh dir die Gegend an.« Vashet drehte sich langsam um sich selbst und betrachtete die Landschaft. »Der Boden ist zu karg für Äcker und zu steinig für Pferde. Die Sommer sind zu nass für Weizen und zu rauh für Obst. In manchen Gebirgen findet man Eisen, Kohle oder Gold, aber nicht hier. Im Winter liegt der Schnee mannshoch, im Frühjahr reißt dich der Wind um.«