Ich will ganz offen sprechen: Ich ließ meine Hörer deutlich wissen, dass Felurian große Stücke auf mich als Liebhaber hielt. Ich entschuldige mich nicht dafür. Es genüge zu sagen, dass ich ein Jüngling von sechzehn Jahren war, der sich nicht wenig auf seine neuerworbenen Fähigkeiten einbildete und auch gerne ein wenig angab.
Ich erzählte, wie Felurian mich in ihrem Reich einsperren wollte und wie wir mit den Mitteln der Magie gegeneinander kämpften. Dafür machte ich einige kleine Anleihen bei Taborlin. Jedenfalls blitzte und donnerte es in meiner Geschichte.
Zuletzt besiegte ich Felurian, ließ sie aber am Leben. Zum Dank wob sie mir einen Feenmantel, weihte mich in ihre geheimen Zauberkünste ein und schenkte mir zum Andenken an ihre Gunst ein silbernes Blatt. Das Blatt war natürlich frei erfunden, aber für eine richtige Geschichte mussten es drei Geschenke sein.
Insgesamt war es eine gute Geschichte. Und auch wenn nicht alles stimmte, so enthielt sie doch einen wahren Kern. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich die Wahrheit auch ganz weglassen und eine noch viel bessere Geschichte hätte erzählen können. Lügen sind einfacher und klingen oft auch einleuchtender.
Losi sah mich die ganze Zeit über an. Sie schien meinen Bericht als Herausforderung an die Fähigkeit sterblicher Frauen zu betrachten. Sobald ich fertig war, nahm sie mich in Beschlag und führte mich in ihre kleine Kammer im obersten Stock des GÜLDENEN PENNY.
Ich bekam in jener Nacht nur sehr wenig Schlaf, und Losi brachte mich näher an den Rand der Erschöpfung, als Felurian es je getan hatte. Doch war sie eine wunderbare Gespielin und stand Felurian in nichts nach.
Wie war das möglich?, höre ich euch fragen. Wie konnte eine sterbliche Frau es Felurian gleichtun?
Man versteht das leichter, wenn man es sich in musikalischen Begriffen vergegenwärtigt. Manchmal freut man sich an einer Symphonie, manchmal bevorzugt man einen lustigen Tanz. Dasselbe gilt für die Liebe. Die eine passt zu den weichen Kissen einer dämmrigen Waldlichtung, die andere zu den zerwühlten Laken eines schmalen Betts in der Dachkammer eines Wirtshauses. Jede Frau ist ein Instrument, das erlernt, geliebt und kundig gespielt werden will, so dass zuletzt ihre eigene Musik erklingt.
Einige mögen an dieser Ansicht Anstoß nehmen. Sie verstehen vielleicht nicht, was die Musik einem fahrenden Schauspieler bedeutet. Sie mögen glauben, ich schätze Frauen gering, und halten mich am Ende gar für gefühllos, flegelhaft und roh.
Diese Leute verstehen nichts von Liebe, Musik und mir.
Kapitel 108
Schnell
Wir verbrachten einige Tage im Wirtshaus, solange wir dort noch willkommene Gäste waren. Unsere Zimmer und sämtliche Mahlzeiten waren kostenlos. Weniger Banditen bedeuteten sicherere Straßen und mehr Gäste. Außerdem wusste Penny, dass unsere Anwesenheit mehr Leute anziehen würde als das allabendliche Fiedeln.
Wir ließen es uns gut gehen und freuten uns an warmen Mahlzeiten und weichen Betten. Zugleich konnten wir die Zeit gut zur Erholung nutzen. Hespes Pfeilwunde am Bein war noch nicht auskuriert und Dedan hatte einen gebrochenen Arm. Meine eigenen, kleineren Verletzungen vom Kampf gegen die Banditen waren zwar längst verheilt, aber ich hatte inzwischen neue, vor allem zahlreiche Kratzer auf dem Rücken.
Ich brachte Tempi die Grundzüge des Lautenspiels bei, und er unterrichtete mich wieder im Kämpfen. Mein Unterricht bestand aus kurzen Gesprächen über Lethani und langen, anstrengenden Übungsstunden mit dem Ketan.
Außerdem schrieb ich mit einiger Mühe ein Lied über meine Erlebnisse mit Felurian. Ich nannte es zunächst
Es ist nicht mein bestes Werk, aber dafür sehr einprägsam. Den Gästen im Wirtshaus schien es zu gefallen, und als ich es Losi pfeifen hörte, während sie Getränke servierte, wusste ich, dass es sich ausbreiten würde wie Feuer in einem Kohlenflöz.
Da man von mir ständig neue Geschichten hören wollte, erzählte ich einige weitere interessante Begebenheiten aus meinem Leben: Zum Beispiel, wie ich es mit nur fünfzehn Jahren geschafft hatte, in die Universität aufgenommen zu werden, oder wie ich in nur drei Tagen Mitglied des Arkanums geworden war. Oder wie ich, als Ambrose meine Laute kaputt gemacht hatte, in meiner Wut den Namen des Windes gerufen hatte.
Am dritten Abend gingen mir leider die Geschichten aus. Da meine Zuhörer noch nicht genug hatten, klaute ich einfach eine Geschichte über Illien und setzte darin meinen Namen ein. Außerdem machte ich gleich noch einige Anleihen bei Taborlin.