»Wenn das stimmte, wärst du jetzt entweder verrückt oder tot. Verrückt magst du ja sein, aber nicht, weil eine Fee dich verzaubert hätte.« Einige Gäste kicherten. »Seit zwanzig Jahren hat niemand mehr Felurian gesehen. Die Feen haben diese Gegend verlassen, und du bist kein Taborlin, egal was deine Freunde behaupten. Wahrscheinlich bist du nur ein geschickter Geschichtenerzähler, der sich einen Namen machen will.«
Er klang sehr überzeugend, und ich sah, wie einige Gäste mich misstrauisch musterten.
Bevor ich etwas antworten konnte, mischte Dedan sich ein, der sich wieder gesetzt hatte. »Woher kommt dann Kvothes Bart? Als er vor drei Tagen verschwand, war sein Gesicht so glatt wie ein Kinderpopo.«
»Das behauptest du«, erwiderte der Fiedler. »Ich wollte eigentlich nichts sagen, obwohl ich nicht die Hälfte von dem geglaubt habe, was du uns von den Banditen erzählt hast oder davon, wie dieser Kvothe den Blitz gerufen hat. Aber im Stillen dachte ich mir: ›Ihr Gefährte ist wahrscheinlich tot, und sie wollen nur, dass er mit ein, zwei schönen Geschichten in Erinnerung bleibt.‹«
Er sah an seiner Hakennase entlang auf Dedan hinab. »Aber jetzt geht ihr wirklich zu weit. Es ist dumm, Lügen über die Feen zu verbreiten. Ich mag es nicht, wenn Fremde hier auftauchen und meinen Freunden Unsinn erzählen, bis sie nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Haltet doch den Mund, ihr alle. Für heute Abend haben wir genug von euch gehört.«
Nachdem der Fiedler seinem Ärger Luft gemacht hatte, öffnete er den zerschrammten Kasten, der neben ihm lag, und holte sein Instrument heraus. Aus dem Schankraum schlug mir eine fast schon feindselige Stimmung entgegen, und so mancher ablehnende Blick traf mich.
»Jetzt hör aber mal zu«, legte Dedan wütend los. Hespe sagte etwas und wollte ihn wieder auf die Bank ziehen, doch er schüttelte sie ab. »Nein, ich lasse mich nicht einen Lügner schimpfen. Alveron persönlich hat uns wegen der Banditen hergeschickt. Und wir haben seinen Auftrag ausgeführt. Wir erwarten keinen großen Dank, aber einen Lügner lasse ich mich von dir verdammt noch mal nicht nennen. Wir haben diese Halunken getötet. Und danach haben wir Felurian gesehen. Und Kvothe ist ihr nachgelaufen und verschwunden.«
Er sah sich streitlustig um, und sein Blick kehrte immer wieder zu dem Fiedler zurück. »Das ist die Wahrheit, ich schwöre es bei meiner gesunden rechten Hand. Wenn jemand mich Lügner nennt, will ich das jetzt gleich klären.«
Der Fiedler hob seinen Bogen, erwiderte Dedans Blick und zog den Bogen quietschend über die Saiten. »Lügner.«
Dedan machte einen Satz durch den Raum, und die anderen Gäste rückten hastig mit ihren Bänken zurück, um Platz für den Kampf zu schaffen. Der Fiedler stand langsam auf. Er war größer als vermutet, hatte kurze graue Haare und vernarbte Fingerknöchel, die zeigten, dass er nicht zum ersten Mal mit den Fäusten kämpfte.
Ich trat rasch vor Dedan und drängte ihn zurück. »Willst du wirklich mit einem gebrochenen Arm eine Schlägerei anfangen?«, fragte ich leise. »Wenn der Fiedler dich daran zu fassen kriegt, wirst du nur noch schreien und dir in die Hose machen, und das alles vor Hespe.« Ich spürte, wie Dedan nachgab, und gab ihm einen kleinen Schubs. Er kehrte an seinen Platz zurück, allerdings nur unwillig.
»… nicht hier drinnen«, hörte ich hinter mir eine Frau sagen. »Wenn du dich mit jemandem prügeln willst, geh nach draußen. Und du brauchst dann gar nicht mehr hereinzukommen. Ich bezahle dich nicht dafür, dass du mit den Gästen Streit anfängst, hast du gehört?«
»Aber Penny«, versuchte der Fiedler sie zu besänftigen, »ich habe ihm doch nur meine Meinung gesagt. Er war ja gleich beleidigt. Du kannst mir doch nicht vorwerfen, dass ich mich über die Geschichten lustig mache, die er hier erzählt.«
Ich drehte mich um und sah, wie der Fiedler auf eine wütende Frau mittleren Alters einredete. Die Frau war einen Kopf kleiner als er und musste die Hand heben, um ihm mit dem Finger auf die Brust zu pochen.
Im selben Augenblick rief eine Stimme neben mir: »Mutter Gottes, Seb, siehst du das? Sieh doch! Er bewegt sich von selbst.«
»Du bist doch nur besoffen. Das ist bloß der Wind.«
»Hier weht kein Wind. Er bewegt sich von selbst. Sieh doch!«
Die Rede war natürlich von meinem Shaed
Penny betrachtete den Mantel ebenfalls und trat vor mich. »Was ist das?«, fragte sie. Sogar sie klang ein wenig beunruhigt.
»Nichts Schlimmes«, sagte ich munter und hielt ihr eine Mantelfalte hin. »Nur mein Schattenmantel. Felurian hat ihn für mich genäht.«
Der Fiedler schnaubte angewidert.