Penny warf ihm einen scharfen Blick zu und strich zögernd mit der Hand über den Mantel. »Wie weich er ist«, murmelte sie und blickte zu mir auf. Unsere Blicke begegneten sich und sie sah mich überrascht an und rief: »Aber du bist doch Losis Kleiner!«
Bevor ich fragen konnte, wen sie damit meinte, hörte ich eine andere Frauenstimme sagen: »Wie?« Ich drehte mich um. Ein rothaariges Serviermädchen kam auf uns zu – dasselbe, das mich bei meinem ersten Besuch so schlimm in Verlegenheit gebracht hatte.
Penny wies mit einem Nicken auf mich. »Das ist dein feuriger Jüngling von vor drei Spannen! Weißt du noch, wie du ihn mir gezeigt hast? Ich habe ihn mit dem Bart gar nicht erkannt.«
Losi trat vor mich. Ihre leuchtend roten Locken fielen in Kaskaden auf die nackte, helle Haut ihrer Schultern, und ihre gefährlichen grünen Augen wanderten über meinen Mantel und von dort langsam zu meinem Gesicht hinauf. »Er ist es tatsächlich«, sagte sie zu Penny. »Bart hin oder her.«
Sie trat noch einen Schritt näher, sodass sie mich fast berührte. »Die Jungen tragen immer Bärte und hoffen, dass sie das zu Männern macht.« Sie schaute mir mit ihren smaragdgrünen Augen dreist ins Gesicht, als erwarte sie, dass ich wie beim letzten Mal rot würde und nervös herumdruckste.
Ich dachte an das, was ich bei Felurian gelernt hatte, und wieder stieg das seltsam wilde Gelächter in mir auf. Ich unterdrückte es, so gut es ging, doch als ich Losis Blick erwiderte, rumorte es weiter in mir.
Losi wich erschrocken einen Schritt zurück, und ihre helle Haut lief tiefrot an. Fast wäre sie gestolpert.
Penny streckte rasch die Hand aus, um sie aufzufangen. »Du meine Güte, Losi, was hast du?«
Das Mädchen wandte den Blick von mir ab. »Sieh ihn dir doch an, Penny, sieh ihn dir an. Er hat etwas von den Fae. Sieh doch nur seine Augen.«
Penny musterte neugierig mein Gesicht, errötete dann selbst ein wenig und verschränkte die Arme vor der Brust, als hätte ich sie nackt gesehen. »Gütiger Gott«, rief sie atemlos, »dann stimmt alles?«
»Jedes Wort«, bestätigte ich.
»Aber wie konntest du ihr entkommen?«, fragte Penny.
»Also, Penny!«, rief der Fiedler ungläubig. »Du wirst doch diesem Jungspund nicht auf den Leim gehen!«
Losi drehte sich hitzig zu ihm um. »Man sieht es Männern an, wenn sie Erfahrung mit Frauen haben, Ben Crayton. Nicht dass du welche hättest. Als dieser Junge vor einigen Spannen hier auftauchte, gefiel mir sein Gesicht, und ich wollte mit ihm ins Heu. Aber als ich ihn rumkriegen wollte …« Sie suchte nach Worten und verstummte.
»Ich erinnere mich daran«, rief ein Mann vom Tresen. »Selten so gelacht wie damals. Ich fürchtete schon, er würde sich gleich in die Hose machen. Kein Wort brachte er heraus.«
Der Fiedler zuckte mit den Schultern. »Dann hat er sich eben inzwischen irgendein Mädchen angelacht. Das heißt noch nicht …«
»Still, Ben«, sagte Penny ruhig und bestimmt. »Die paar Barthaare sind lange nicht die einzige Veränderung an dem Jungen.« Sie musterte mich prüfend. »Mein Gott, du hast recht, Losi, sein Blick hat etwas von einem Fae.« Der Fiedler setzte erneut zu etwas an, doch Penny brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen. »Du bist still, oder du musst raus. Ich will hier drinnen heute keinen Streit mehr.«
Der Fiedler sah sich um und merkte, dass die Stimmung sich gegen ihn gewandt hatte. Hochrot im Gesicht und mit finsterer Miene nahm er seine Fiedel und stampfte hinaus.
Losi trat wieder vor mich und strich sich die Haare aus der Stirn. »War sie wirklich so schön wie es heißt?« Sie hob selbstbewusst das Kinn. »Schöner als ich?«
Ich zögerte. »Sie war Felurian«, antwortete ich leise, »die schönste aller Frauen.« Ich streckte die Hand aus, strich Losis rote Locken sanft von Hals und Schläfe zurück, beugte mich vor und flüsterte ihr sieben Worte ins Ohr: »Aber sie hatte trotzdem nicht dein Feuer.« Und Losi liebte mich für diese sieben Worte, und ihr Stolz war wiederhergestellt.
»Wie hast du es geschafft, von ihr loszukommen?«, fragte Penny.
Ich sah mich um und fühlte, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren. Wieder rumorte das ausgelassene Feenlachen in mir. Ich lächelte träge, und mein Mantel blähte sich hinter mir.
Dann ging ich nach vorn, setzte mich vor den Kamin und erzählte, was ich erlebt hatte.
Oder etwas Ähnliches. Meine Zuhörer hätten mir nicht geglaubt, wenn ich ihnen die ganze Wahrheit zugemutet hätte. Dass Felurian mich hatte gehen lassen, weil ich sie mit einem Lied erpresste, passte nicht zum klassischen Märchen.
Also erzählte ich etwas, das mehr ihren Erwartungen entsprach. In dieser Geschichte folgte ich Felurian in das Reich der Fae. Auf ihrer dämmrigen Lichtung umschlangen und liebten wir uns. Später, beim Ausruhen, spielte ich für sie: fröhliche Lieder, die sie zum Lachen brachten, geheimnisvolle Lieder, die ihr den Atem raubten, und süße Lieder, bei denen ihr Tränen in die Augen traten.
Doch als ich mich anschickte, das Reich der Fae zu verlassen, wollte sie mich nicht ziehen lassen. Zu sehr waren ihr meine … Künste ans Herz gewachsen.