»die frucht war nur der anfang«, fuhr Felurian besänftigt fort. »ähnlich den ersten unsicheren bewegungen eines kindes. die gestalter wurden immer kühner und verwegener. die namensweisen befahlen ihnen, aufzuhören, doch die gestalter weigerten sich. sie gerieten in streit, und die namensweisen erteilten verbote. sie wollten keine herrschaft dieser art.« Felurians Augen glänzten. »aber oh«, seufzte sie. »die dinge, die sie schufen!«
Und das von einer Frau, die mir einen Mantel aus Schatten gemacht hatte. Ich hatte keine Vorstellung, was sie zum Staunen brachte. »Was haben sie denn geschaffen?«
Felurian zeigte mit einer ausladenden Bewegung auf unsere Umgebung.
»Die Bäume?«, fragte ich ehrfürchtig.
Sie lachte über meinen Ton. »nein. das reich der fae.« Sie schwang wieder den Arm. »gestaltet nach ihrem willen. der größte von ihnen nähte es aus einem stück stoff. als einen ort, an dem sie nach belieben schalten und walten konnten. und nach beendigung der arbeit schuf jeder gestalter einen stern, um damit ihren neuen, noch leeren himmel zu füllen.«
Felurian lächelte mich an. »erst ab da gab es zwei welten. zwei himmel mit verschiedenen sternen.« Sie hob den Kiesel. »aber weiterhin nur einen mond, der rund und schön am himmel der sterblichen prangte.«
Ihr Lächeln verging. »doch ein gestalter war größer als alle anderen. ihm reichte es nicht, einen stern zu formen. er spannte seinen willen an, bis er über die ganze welt reichte, und holte den mond aus seinem zuhause.«
Felurian hob den Kiesel hoch und schloss ein Auge. Dann legte sie den Kopf schräg, als wollte sie die Krümmung des Steins in die leeren Arme der Mondsichel über uns einpassen. »und da kam es zum bruch. die alten namensweisen begriffen, dass sie die gestalter nicht mit worten aufhalten konnten.« Felurian ließ die Hand wieder ins Wasser fallen. »mit dem diebstahl des mondes kam der krieg.«
»Wer war der Dieb?«, fragte ich.
Felurian lächelte kaum merklich. »wer? wer? wer?«, äffte sie mich nach.
»Gehörte er einem Feenhof an?«, soufflierte ich sanft.
Felurian schüttelte belustigt den Kopf. »nein. wie gesagt, das alles geschah noch vor den fae. er war der erste und größte der gestalter.«
»Wie hieß er?«
Felurian schüttelte den Kopf. »hier werden keine namen genannt. ich werde nicht von ihm sprechen, obwohl er hinter den steinernen türen eingesperrt ist.«
Bevor ich eine neue Frage stellen konnte, nahm Felurian meine Hand und legte sie um den Kiesel, so dass wir ihn nun wieder beide hielten. »er, der gestalter mit den augen schwarz und drohend, er hob die hand zum himmel auf und zog am mond. doch blieb der mond auf sein geheiß nicht stehen und wandert zwischen uns und euch seitdem.«
Sie sah mich tiefernst an, wie sie es nur selten tat. »wer was getan, das weißt du jetzt, doch bleibt noch ein geheimnis bis zuletzt. hör mir gut zu, damit du nichts vergisst.« Sie hob unsere verschränkten Hände aus dem Wasser. »jetzt kommt der teil, der für dich wichtig ist.«
Ihre Augen glänzten schwarz im Dämmerlicht. »der mond, er hat’s uns beiden angetan, wir hängen beide an ihm dran wie eltern, die nach ihrem kinde fassen, weil keiner will’s dem anderen lassen.«
Sie trat zurück, und wir standen wieder so weit auseinander, wie wir konnten, ohne den Kiesel loszulassen, den wir gemeinsam hielten. »ist er zerrissen und bei euch nur halb zu sehen, merkst du daran, wie weit wir auseinander stehen.« Sie streckte die freie Hand nach mir aus und tat so, als versuche sie vergeblich, mich zu berühren. »so sehr wir uns zum kusse lehnen, der raum ist noch zu weit für unser sehnen.«
Sie trat wieder vor mich und drückte den Kiesel an meine Brust. »doch füllt sich euer mond am himmel droben, so fühlen die feen sich zu euch hingezogen, und ein besuch zur nacht ist leichter jetzt gemacht, als durch ein offenes tor zu schreiten oder von einem schiff im hafen an land zu gleiten.« Sie lächelte mich an. »so hast du, unterwegs im wald, gefunden mich, die feengestalt.«
Bei der Vorstellung, der zunehmende Mond könnte Scharen von Feenwesen anlocken, lief mir ein Schauer über den Rücken. »Und dieses gilt für alle Feen?«
Felurian zuckte die Achseln und nickte. »wenn sie es wollen und sich drauf verstehen. es sind wohl tausend angelehnte türen, die hier von meiner welt in deine führen.«
»Wie konnte ich das übersehen? Ich kann es wirklich nicht verstehen. Ich müsste es doch eigentlich wissen, wenn Feen bei uns tanzen und die Männer küssen …«
Felurian lachte. »jetzt weißt du es. die welt ist groß und alt, doch du hast mich trotzdem gehört im wald, bevor du mich gesehen hast, im mondschein sitzend wie zur rast.«
Ich runzelte die Stirn. »Doch sah ich nie die vielen Spuren der Feen, die wechselten die Fluren.«
Felurian zuckte mit den Schultern. »die meisten fae sind klug und listig auch, sie treten lautlos auf wie rauch. sie gehen des öfteren unerkannt, wie esel beladen mit allerlei tand oder in kleidern von fürstlicher pracht.« Sie bedachte mich mit einem offenen Blick. »wir nehmen uns schon gut in acht.«