Читаем Zweiter Tag - Die Furcht des Weisen Band 2 полностью

Bei genauer Betrachtung des Himmels stellt man allerdings fest, dass der Horizont auf der einen Seite etwas heller ist und auf der gegenüberliegenden Seite etwas dunkler. Geht man auf den helleren Horizont zu, wird es irgendwann Tag, in der anderen Richtung Nacht. Wer lange genug in eine Richtung geht, sieht einen ganzen Tag verstreichen und kommt an derselben Stelle heraus, von der er losgegangen ist. Soweit jedenfalls die Theorie.

Felurian nannte die beiden Richtungen des Fae-Kompasses Tag und Nacht. Die anderen beiden Richtungen bezeichnete sie mehrmals als Hell und Dunkel, Sommer und Winter oder Vorwärts und Rückwärts. Einmal sprach sie sogar von Grimmerich und Grinserich, aber ich vermutete aufgrund ihres Tons, dass sie sich über mich lustig machte.

Ich habe ein gutes Gedächtnis. Dieser Umstand prägt vielleicht mehr als alles andere das, was ich bin. Mein Gedächtnis ist die Gabe, auf der viele meiner anderen Fähigkeiten aufbauen.

Ich kann nur vermuten, wie ich dazu gekommen bin. Vielleicht lag es an meiner frühen Bühnenausbildung, an den Spielen, mit denen meine Eltern mir halfen, meinen Text auswendig zu lernen. Oder es lag an den geistigen Übungen, mit denen Abenthy mich auf die Universität vorbereitete.

Jedenfalls hat mein Gedächtnis mir immer treue Dienste geleistet. Manchmal funktioniert es sogar besser, als mir lieb ist.

Wenn ich dagegen an meine Zeit im Reich der Fae zurückdenke, weist mein Gedächtnis seltsame Lücken auf. Meine Gespräche mit Felurian sind mir noch in allen Einzelheiten gegenwärtig. An das, was sie mich lehrte, erinnere ich mich, als hätte sie es mir auf die Haut geschrieben. Genauso an ihren Anblick oder den Geschmack ihres Mundes. Alles ist so frisch, als hätte ich es erst gestern erlebt.

An andere Dinge kann ich mich dagegen überhaupt nicht mehr erinnern.

Zum Beispiel sehe ich Felurian noch in dem violett getränkten Dämmerlicht stehen, das durch die Bäume fiel und sie mit leuchtenden Punkten überzog, als schwimme sie unter Wasser. Ich erinnere mich an ihr Gesicht im flackernden Licht der Kerzen, an die neckenden Schatten, die mehr verbargen als enthüllten. Und ich sehe sie noch im vollen, tiefgelben Schein der Lampe sitzen. Sie räkelte sich darin wie eine Katze, und ihre Haut leuchtete warm.

Dagegen erinnere ich mich weder an Lampen noch an Kerzen. Dabei erfordert beides doch ständige Aufmerksamkeit. Ich könnte nicht sagen, ob ich je einen Docht gestutzt oder den gläsernen Schirm einer Lampe vom Ruß befreit habe. Auch an den Geruch von Öl, Rauch oder Wachs erinnere ich mich nicht.

Ich weiß noch, was wir aßen. Obst, Brot und Honig. Felurian aß Blumen. Frisch gepflückte Orchideen, Waldlilien und üppige Selasblüten. Auch ich habe Blumen probiert. Am liebsten mochte ich Veilchen.

Was allerdings nicht heißen soll, dass Felurian nur von Blumen lebte. Sie mochte auch Brot, Butter und Honig und besonders gern Brombeeren. Auch Fleisch gab es, nicht zu jeder Mahlzeit, aber manchmal. Reh, Fasan oder Bär. Felurian aß ihr Fleisch nur ganz leicht angebraten, fast roh.

Sie war auch nicht wählerisch und legte keinen Wert auf besondere Tischmanieren. Wir aßen mit den Händen, und wenn sie nach dem Essen vom Honig, Fruchtfleisch oder Bärenblut klebrig waren, wuschen wir sie in dem nahen Teich.

Ich sehe Felurian noch heute vor mir, nackt und lachend, während ihr Blut übers Kinn läuft. Sie hatte die Würde einer Königin, den Eifer eines Kindes und den Stolz einer Katze. Und zugleich war sie das alles nicht, war sie etwas ganz anderes.

Was ich damit sagen will: ich erinnere mich daran, wie wir aßen, aber nicht daran, woher das Essen kam. Hat es jemand gebracht? Hat Felurian es selbst beschafft? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern. Dass Diener uns auf Felurians ewig dämmriger Lichtung gestört hätten, erscheint mir abwegig, aber genauso der Gedanke, Felurian könnte selbst Brot gebacken haben.

Dass sie Rehe gejagt hat, kann ich mir dagegen leichter vorstellen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie, wenn sie wollte, ein Reh einholen und mit bloßen Händen töten konnte. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich gelegentlich ein scheuer Hirsch auf die Lichtung verirrte und Felurian geduldig wartete, bis er sich ihr auf Reichweite näherte.

Kapitel 102

Der ewig dahinziehende Mond

Felurian und ich waren zum Teich unterwegs, da bemerkte ich eine geringfügige Veränderung des Lichts. Ich hob den Kopf und sah zwischen den Bäumen über uns zu meiner Überraschung die helle Sichel des Mondes.

Obwohl sie nur ganz schmal war, erkannte ich darin den Mond meiner Welt, wie ich ihn schon mein ganzes Leben lang kannte. Ihn hier an diesem merkwürdigen Ort zu sehen kam mir vor wie weit weg von zu Hause einem längst verloren geglaubten Freund zu begegnen.

»Sieh mal!«, rief ich und zeigte darauf. »Der Mond!«

Felurian lächelte nachsichtig. »du bist mein unschuldiges lämmchen. sieh mal! da ist auch eine wolke! amouen! lass uns tanzen vor freude!« Sie lachte.

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Андрей Боярский

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