Читаем Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7) полностью

Smiley zog seine Brieftasche und reichte den Abzug über den Schreibtisch. Herr Kretzschmar hielt ihn an den Rändern, sah ihn einen Augenblick prüfend an, aber nur pro forma und legte ihn dann auf die Plastikfläche vor sich hin. Sein sechster Sinn sagte Smiley, daß Herr Kretzschmar sich anschickte, eine Aussage zu machen, wie dies die Deutschen manchmal so tun, eine Aussage zu seiner philosophischen Einstellung oder seiner persönlichen Entlastung, auf daß man ihn liebe oder bemitleide. Smiley schwante, daß Herr Kretzschmar, zumindest nach seinem Selbstverständnis, ein umgänglicher, wenn auch mißverstandener Mensch war; ein Mann von Herz, ja Herzensgüte, und daß seine Wortkargheit nur ein berufliches Requisit war, das er widerstrebend zur Schau stellte, in einer Welt, die mit seinem von Natur aus zartbesaiteten Wesen oft nicht in Einklang stand. »Ich möchte Ihnen nur sagen, daß ich hier ein anständiges Haus leite«, bemerkte Herr Kretzschmar, nachdem er nochmals einen Blick auf den Abzug unter der klinisch modernen Lampe geworfen hatte. »Es liegt nicht in meiner Gewohnheit, Gäste zu fotografieren. Manche Leute verkaufen Krawatten, ich verkaufe Sex. Ich lege größten Wert auf korrektes Geschäftsgebaren. Aber hier handelte es sich nicht um Geschäft. Hier handelte es sich um Freundschaft.«

Smiley war klug genug, den Mund zu halten.

Herr Kretzschmar runzelte die Stirn. Seine Stimme senkte sich zu einem vertraulichen Ton: »Kannten Sie ihn, Herr Max? Den alten General? Waren Sie ihm persönlich verbunden?«

»Ja.«

»Er war wer. Stimmt's?«

»Stimmt.«

»Ein Löwe, was?«

 »Ein Löwe.«

»Otto hat einen Narren an ihm gefressen. Ich heiße Claus. >Claus<, sagte er immer zu mir. >Dieser Wladimir. Ich liebe diesen Mann.< Können Sie mir folgen? Otto ist ein äußerst loyaler Bursche. Der General auch?«

»Genau so«, sagte Smiley. »Gewesen.«

»Eine Menge Leute glaubten nicht an Otto. Auch ihr Stammhaus glaubte nicht immer an ihn. Das ist verständlich. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Aber der General, der glaubte an Otto. Nicht in allen Kleinigkeiten. Aber in den großen Dingen.« Herr Kretzschmar winkelte den Unterarm hoch und ballte die Hand zur Faust, zu einer überraschend stattlichen Faust. »Wenn's mulmig wurde, glaubte der General hundertprozentig an Otto. Auch ich glaube an Otto, Herr Max. In den großen Dingen. Aber ich bin Deutscher, ich interessiere mich nicht für Politik, nur für Geschäfte. Diese Flüchtlingsgeschichten sind für mich aus und vorbei. Können Sie mir folgen?«

»Ich glaube schon.«

»Aber nicht für Otto. Nie und nimmer. Otto ist ein Fanatiker. Das darf ich wohl sagen. Ein Fanatiker. Das ist einer der Gründe, warum sich unsere Wege getrennt haben. Aber er ist mein Freund geblieben. Wer Otto etwas antut, der kriegt es mit Kretzschmar zu tun.« Ein Schatten der Ratlosigkeit überflog sein Gesicht. »Sie haben wirklich nichts für mich, Herr Max?«

»Außer dem Foto habe ich nichts für Sie.«

Widerstrebend fand Herr Kretzschmar sich mit dieser Tatsache ab, aber er brauchte einige Zeit dazu. Verlegene Pause.

»Der alte General wurde in England erschossen?« fragte er schließlich.

»Ja.«

»Und Sie glauben trotzdem, daß auch Otto in Gefahr ist?«

»Ja. Aber ich glaube, er will es nicht anders.«

Herrn Kretzschmar gefiel diese Antwort, und er nickte zweimal energisch mit dem Kopf.

»Das glaube ich auch. Genau diesen Eindruck habe ich auch von ihm. Wie oft hab' ich zu ihm gesagt: >Otto, du hättest Hochseilkünstler werden sollen.< Für Otto ist ein Tag, der nicht bei sechs verschiedenen Gelegenheiten sein letzter werden könnte, nicht lebenswert. Gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen über meine Beziehung zu Otto?«

»Bitte«, sagte Smiley höflich.

Herr Kretzschmar legte die Unterarme auf die Schreibtischplatte und setzte sich bequem zur Beichte zurecht. »Es gab eine Zeit, da haben Otto und Claus Kretzschmar alles zusammen getan, eine Menge Pferde gestohlen, wie man so sagt. Ich bin aus Sachsen gekommen, Otto aus dem Osten. Ein Balte. Nicht aus Rußland, aus Estland, wie er immer betonte. Er hatte viel durchgemacht, eine ganze Anzahl Gefängnisse von innen kennengelernt, ein paar üble Burschen hatten ihn verraten, damals in Estland. Ein Mädchen war gestorben, was ihm ziemlich zugesetzt hatte. Da gab's einen Onkel in der Nähe von Kiel, aber das war ein Schwein. Das kann man wohl sagen. Ein Schwein. Wir hatten kein Geld, wir waren Kameraden und Diebsgenossen. Das war normal, Herr Max.«

Smiley bestätigte nickend diese Auslegung des Zeitgeists.

Перейти на страницу:

Похожие книги

100 знаменитых харьковчан
100 знаменитых харьковчан

Дмитрий Багалей и Александр Ахиезер, Николай Барабашов и Василий Каразин, Клавдия Шульженко и Ирина Бугримова, Людмила Гурченко и Любовь Малая, Владимир Крайнев и Антон Макаренко… Что объединяет этих людей — столь разных по роду деятельности, живущих в разные годы и в разных городах? Один факт — они так или иначе связаны с Харьковом.Выстраивать героев этой книги по принципу «кто знаменитее» — просто абсурдно. Главное — они любили и любят свой город и прославили его своими делами. Надеемся, что эти сто биографий помогут читателю почувствовать ритм жизни этого города, узнать больше о его истории, просто понять его. Тем более что в книгу вошли и очерки о харьковчанах, имена которых сейчас на слуху у всех горожан, — об Арсене Авакове, Владимире Шумилкине, Александре Фельдмане. Эти люди создают сегодняшнюю историю Харькова.Как знать, возможно, прочитав эту книгу, кто-то испытает чувство гордости за своих знаменитых земляков и посмотрит на Харьков другими глазами.

Владислав Леонидович Карнацевич

Неотсортированное / Энциклопедии / Словари и Энциклопедии