Der smarte junge Mann zog ein Formular aus seinem Pult und erklärte in vertraulichem Gemurmel die Prozedur, wie ein Rechtsanwalt, der er wahrscheinlich tagsüber hauptberuflich war. Mitgliedsbeitrag einhundertfünfundsiebzig Mark, sagte er leise. Dies sei eine einmalige Beitrittsgebühr, die Smiley ein volles Jahr zu freiem Eintritt berechtige, sooft er wolle. Das erste Getränk würde ihn weitere fünfundzwanzig Mark kosten, und danach seien die Preise hoch, aber nicht übermäßig. Das erste Getränk sei obligatorisch und, wie der Mitgliedsbeitrag, vor Eintritt zu bezahlen. Alle anderen Arten der Unterhaltung seien gebührenfrei, doch nähmen die Mädchen Zuwendungen dankend entgegen. Smiley solle das Formular mit einem Namen seiner Wahl unterschreiben. Es würde von dem jungen Mann hier höchstpersönlich abgelegt werden. Bei seinem nächsten Besuch brauche er sich dann nur an seinen Beitrittsnamen zu erinnern, und er würde dann ohne weitere Formalitäten eingelassen werden.
Smiley zählte sein Geld hin und fügte den Dutzenden von falschen Namen, die er in seinem Leben verwendet hatte, einen weiteren hinzu. Er stieg eine Treppe hinunter bis zu einer zweiten Tür, die sich ebenfalls elektronisch öffnete und einen Durchgang freigab, an dem eine Reihe Separees lagen, leer, denn in dieser Welt fing die Nacht gerade erst an. Am Ende des Durchgangs war eine dritte Tür, hinter der ihn totale Finsternis empfing und die auf höchste Lautstärke gedrehte Musik von den Tonbändern des smarten jungen Mannes. Eine männliche Stimme sprach zu ihm, ein Punktlicht führte ihn an einen Tisch. Er bekam eine Getränkekarte ausgehändigt. >Besitzer C. Kretzschmar<, las er unten auf der Seite in Kleindruck. Er bestellte Whisky.
»Ich möchte allein bleiben. Keine Gesellschaft.«
»Ich werde entsprechend Bescheid geben, mein Herr«, sagte der Kellner mit vertraulicher Würde und nahm sein Trinkgeld an.
»Übrigens, Herr Kretzschmar. Ist er zufällig aus Sachsen?«
»Jawohl, mein Herr.«
Er nippte an seinem Whisky und wartete, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Von irgendwoher strahlte blaues Schummerlicht und hob Manschetten und Kragen gespenstisch hervor. Er sah weiße Gesichter und weiße Körper. Der Raum war in zwei Ebenen angelegt. Die untere, wo er saß, war mit Tischen und Armstühlen ausgestattet. Die obere bestand aus sechs Chambres séparées, die wie Theaterlogen aussahen, jedes mit seinem eigenen blauen Schummerlicht. In einer davon hatte, das stand für ihn fest, das Quartett wissentlich oder unwissentlich für den Fotografen posiert. Er erinnerte sich an den Standpunkt, von dem aus das Bild aufgenommen worden war. Von oben -von hoch oben. Aber >hoch oben< bedeutete irgendwo im Dunkel der Mauern, wohin kein Auge dringen konnte, nicht einmal das von Smiley.
Die Musik erstarb, und aus den
Lautsprechern wurde eine Nummer angekündigt. >Alt Berlins sagte der
»Ist Herr Kretzschmar heute abend im Haus?« fragte er den Kellner.
Herr Kretzschmar habe viele Verpflichtungen, erklärte der Kellner. Herr Kretzschmar müsse seine Zeit zwischen mehreren Etablissements teilen.
»Sollte er kommen, lassen Sie es mich bitte wissen.«
»Er wird um Punkt elf Uhr hier sein, mein Herr.«