»Machen wir doch später weiter«, sagte Smiley. Er hätte auch alles getan um sie zu bremsen - Tee gemacht, übers Wetter geplaudert, irgendetwas, nur um ihr wachsendes Tempo zu bremsen -, aber sie hatte einen zweiten Sprung getan und war schon wieder zurück in Paris, beschrieb, wie Otto Leipzig mit dem ungern erteilten Segen der fünften Etage und der leidenschaftlichen Unterstützung des alten Generals sich daran machte, die Wiederbegegnung, nach allen diesen verlorenen Jahren, mit dem Zweiten Botschaftssekretär Kirow zu inszenieren, den Connie als das Rote-Rübenschwein bezeichnete. Smiley vermutete, daß sie ihn damals so nannte. Ihr Gesicht war scharlachrot und ihr Atem zu knapp für ihre Geschichte, so daß er immer wieder röchelnd aussetzte, doch sie zwang sich, weiterzusprechen.
»Connie«, flehte er abermals, aber es nutzte nichts, und vielleicht hätte überhaupt nichts genutzt.
Klein Otto begann die Suche nach dem Rote-Rübenschwein damit, daß er sämtliche franco-sowjetischen Freundschaftsclubs aufsuchte, in denen Kirow verkehrte.
»Der arme kleine Otto muß den >Panzerkreuzer Potemkin< fünfzehnmal gesehen haben, aber kein einziges Mal tauchte das Rote-Rübenschwein auf.«
Dann hieß es, Kirow zeige ernsthaftes Interesse an Emigranten und bezeichne sich sogar als ihr heimlicher Sympathisant, halte bei ihnen Umfragen, ob er, als Botschaftsangehöriger, irgendetwas tun könne, um ihren Angehörigen in der Sowjetunion zu helfen. Mit Wladimirs Hilfe versuchte Leipzig, Kirow zufällig in den Weg zu laufen, aber wiederum hatte er kein Glück. Dann fing Kirow an zu reisen - überallhin zu reisen, mein Lieber, der reinste Fliegende Holländer -, so daß Connie und ihre Jungens sich bereits fragten, ob er vielleicht eine Art Verwaltungsbeamter für die Moskauer Zentrale sei und überhaupt nicht operativ eingesetzt: zum Beispiel Rechnungsprüfer für eine Gruppe europäischer Residenturen, mit Hauptstelle in Paris, Bonn, Madrid, Stockholm, Wien.
»Für Karla oder für das Amt?« fragte Smiley ruhig.
Nur Gedanken seien zollfrei, sagte
Connie, aber sie wette ihren letzten Penny, daß es für Karla war. Auch wenn
Pudin bereits am Ort gewesen sei. Auch wenn Kirow ein Idiot gewesen sei und kein
Soldat: Es
Trotzdem, die Fliegerei hat es schließlich gebracht, sagte Connie. Klein Otto wartete, bis Kirow einen Flug nach Wien gebucht hatte, vergewisserte sich, daß Oleg allein reiste, nahm dieselbe Maschine und schon waren sie im Geschäft.
»Eine schlichte Gimpelfalle, wie sie im Lehrbuch steht, darauf wollten wir hinaus«, sang Connie jetzt sehr laut. »Die gute alte Sex-Falle. Ein großer Fisch würde vielleicht bloß lachen, aber nicht Genosse Kirow, am allerwenigsten, wenn er bei Karla im Sold stand. Schlüpfrige Fotos und Auskünfte mit Drohungen, das wollten wir haben. Und wenn wir mit ihm fertig gewesen wären und herausgefunden hätten, wer seine sauberen Freunde waren und wer ihm soviel berauschende Freiheit gewährte, dann hätten wir ihn uns entweder als Überläufer gekauft oder ihn in den Tümpel zurückgeworfen, je nachdem, wieviel von ihm übrig gewesen wäre!«
Sie hielt jäh inne. Sie öffnete den Mund, schloß ihn, holte ein wenig Atem und hielt Smiley ihr Glas hin.
»Darling, hol dem alten Schwamm noch ein Schlückchen, dalli-dalli, ja? Connie kriegt ihre Zustände. Nein, lieber nicht. Bleiben Sie sitzen.«
Eine fatale Sekunde lang war Smiley ratlos.
»George?«
»Connie, hier bin ich. Was ist los?«
Er war schnell, aber nicht schnell genug. Er sah, wie ihr Gesicht versteinerte, sah die verkrümmten Hände hochfliegen und ihre Augen sich vor Ekel zusammenkneifen, als hätte sie einen grauenhaften Unfall gesehen.
»Hils, schnell!« schrie sie. »Verflixt nochmal!«