Er dachte an das Negativ: Zeit, die Schachtel zu öffnen. Als er sich dabei ertappte, wie er instinktiv seinem alten Amtssitz am Cambridge Circus zustrebte, bog er hastig ostwärts ab und gelangte schließlich wieder zu seinem Wagen. Wenn er auch das Gefühl hatte, nicht beobachtet zu werden, so fuhr er doch auf Schleichpfaden nach Bayswater, ohne eine Sekunde den Rückspiegel aus den Augen zu lassen. Bei einem pakistanischen Eisenwarenhändler, der alles verkaufte, erstand er zwei Abspülschüsseln aus Plastik und ein Stück Bilderglas, dreieinhalb auf fünf Zoll; und in einem Drogeriemarkt, drei Türen weiter, zehn Blatt Glanzpapier derselben Größe sowie eine Kindertaschenlampe mit einem Raumfahrer auf dem Griff und einem roten Filter, der über die Linse glitt, wenn man auf einen Nickelknopf drückte. Von Bayswater fuhr er auf ausgeklügelten Umwegen zum Savoy, das er von der Embankment-Seite her betrat. Niemand war ihm gefolgt. In der Herrengarderobe hatte noch derselbe Wärter Dienst und erinnerte sich sogar noch an ihren Scherz.
»Ich warte immer noch darauf, daß sie explodiert«, sagte er lächelnd, als er Smiley die Schachtel zurückgab. »Ein paarmal habe ich, wenn ich mich nicht täusche, was drinnen ticken gehört.« An seiner Haustür waren die winzigen Holzsplinte immer noch da, wo er sie vor seiner Fahrt nach Charlton angebracht hatte. In den Fenstern der Nachbarhäuser sah er sonnabendliches Kerzenlicht und redende Köpfe, doch bei ihm waren die Gardinen immer noch zugezogen, wie vor seinem Weggang, und in der Diele empfing ihn Anns hübsche kleine Großmutteruhr in völliger Dunkelheit, ein Zustand, dem er schleunigst abhalf.
Obwohl er todmüde war, ging er methodisch ans Werk.
Zuerst legte er drei Feueranzünder auf den Kaminrost im Wohnzimmer, schaufelte rauchlose Kohle darüber und spannte Anns Badezimmer - Wäscheleine quer vor die Feuerstelle. Als Arbeitskluft hing er sich eine alte Küchenschürze um, wobei er sicherheitshalber die Bänder fest um seine füllige Taille zurrte. Im Treppenverschlag grub er einen Stoß grünes Verdunkelungspapier aus und einen Küchenhocker und trug beides ins Erdgeschoß. Nachdem er das Fenster abgedunkelt hatte, ging er wieder hinauf, wickelte die Schachtel aus, öffnete sie, und, nein, sie enthielt keine Bombe, sondern einen Brief, sowie ein zerknülltes Zigarettenpäckchen mit Wladimirs Negativ darin. Er nahm den Film heraus, ging damit wieder ins Untergeschoß, knipste die rotlichtige Taschenlampe an und machte sich an die Arbeit, obwohl er, weiß Gott, ein blutiger Laie auf diesem Gebiet war und die Sache, zumindest theoretisch, über Lauder Strickland durch die Fotoabteilung des Circus im Handumdrehen hätte erledigen lassen können. Oder von irgendeinem aus dem guten halben Dutzend »Kunsthandwerker«, wie sie im Jargon des Circus hießen: Auf bestimmte Gebiete spezialisierte Mitarbeiter, die verpflichtet sind, zu jeder Zeit alles liegen und stehen zu lassen, keine Fragen zu stellen und ihre Fertigkeiten dem Amt zur Verfügung zu stellen. Einer dieser Kunsthandwerker wohnte keinen Steinwurf weit vom Sloane Square entfernt, eine gute Seele, spezialisiert auf Hochzeitsfotos. Smiley hatte nur zehn Minuten weit zu gehen und auf die Klingel zu drücken. Eine halbe Stunde später würde er seine Abzüge haben. Aber er tat es nicht. Er zog es vor, den Abzug in der Geborgenheit seines Hauses selber anzufertigen und dabei die Beschwerlichkeit und Unvollkommenheit seiner Bemühungen in Kauf zu nehmen und sein Ohr dem ununterbrochenen Klingeln des Telefons im Obergeschoß zu verschließen.
Er zog die langwierige Methode vor,
durch wiederholte Proben und Fehlschläge schließlich zum Ziel zu gelangen: das
Negativ zuerst zu lang, dann zu kurz unter der Raumleuchte zu exponieren; als
Zeitmesser den unhandlichen Küchenwecker zu benützen, der tickte und ratterte
wie etwas aus