Man kann annehmen, daß Marx nach Abbruch der Niederschrift im Heft III die mehrwöchige intensive Arbeit an der «Heiligen Familie» begann. Er erweiterte erneut das Studium der bürgerlichen politischen Ökonomie und begann offensichtlich erst jetzt Ricardos Werk «Des principes de l’économie politique et de l’impôt» sowie Mills Schrift «Élémens d’économie politique» zu exzerpieren. Das Ricardo- und Mill-Exzerpt zeichnet sich gegenüber den vorangegangenen Exzerptheften vor allem dadurch aus, daß Marx die Aussagen von Ricardo und Mill sofort in einem viel stärkeren Maße einschätzte. Er wertete, interpretierte, kritisierte sie und bettete sie in umfangreiche eigene Ausführungen ein.
Beim Exzerpieren von «Des principes de l’économie politique» erfaßte Marx die Unterschiede zwischen Ricardo und Smith und polemisierte gegen Says Kritik an Ricardo. Marx benutzte die französische Übersetzung von Ricardos Werk, welche mit kritischen Noten von Say versehen war. Mit Ricardos Wert-, Mehrwert- und Rententheorie konnte Marx einige Gesetze und Kategorien der politischen Ökonomie des Kapitalismus präziser erfassen. Die offene und direkte Widerspiegelung der Interessen der Industriebourgeoisie in Ricardos Lehre befähigten Marx zu konkreteren Aussagen über den bürgerlichen Charakter der «Nationalökonomie».
Im Zusammenhang mit den Exzerpten aus Mill behandelte Marx in eigenständigen Darlegungen eine Reihe von Fragen, so den Zusammenhang von Privateigentum und Geldwesen, den Austausch und die Arbeitsteilung als Gattungstätigkeit des Menschen unter den Bedingungen des Privateigentums, die Arbeit als Erwerbsarbeit unter den Bedingungen des Privateigentums, die Arbeitsteilung als Austausch von menschlichen Tätigkeiten usw.
Insgesamt ist das Heft mit Exzerpten aus Ricardos und Mills Schriften eine Ergänzung und zugleich Weiterführung der «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte». Dies zeigt sich vor allem im Reifegrad der inhaltlichen Analyse und Auswertung dieser Auffassungen und in der häufigen Unterbrechung der Exzerpte durch umfangreiche relativ in sich geschlossene eigenständige Ausarbeitungen über einige Fragen, die in den Heften I, II und III nur teilweise oder überhaupt nicht behandelt worden sind. Dieses Heft kann vom Profil her mehr in die Nähe von Heft III der «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» gerückt werden. Daß Marx dieses Heft mit römischen Zahlen paginierte, könnte als formales Indiz für diese Annahme gelten. Man kann deshalb dieses Heft als die unmittelbare Fortsetzung der Ausarbeitung von Heft III bezeichnen, eine Fortsetzung, die durch die intensive Auswertung der Ansichten von Ricardo und Mill eine höhere Qualität erreichte.
Erstveröffentlichung: Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. Zur Kritik der Nationalökonomie. Mit einem Schlußkapitel über die Hegelsche Philosophie. In: MEGA1 I/3. S. 29 – 172.
Zeugenbeschreibung
H1 Originalhandschrift. – IISG, Marx-Engels-Nachlaß, Sign. B 95/A 7, A 6/A 8 – 9. Negativ. – IML/ZPA Moskau, Sign. f. 1, op. 1, d. 130. Überliefert sind ein Heft mit der Aufschrift von Marx’ Hand: Heft I. (Sign. B 95/A 7) sowie zwei lose Blätter und ein Heft ohne Aufschrift (Sign. A 6/A 8 – 9).