Tally wich einen weiteren Schritt zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Angella folgte ihr, machte aber noch keine Anstalten, anzugreifen.
»Ich habe keinen Streit mit dir, Angella«, sagte Tally.
»Wenn du mich gehen läßt, ist die Sache erledigt. Ich will dich nicht töten.«
Angella schüttelte den Kopf. »Daraus wird nichts. Du hast zwei meiner Männer erledigt. Ich kann dich nicht gehen lassen.«
Ihr Angriff kam so schnell, daß Tally ihn kaum sah. Angellas Schwert zuckte in einer unglaublich raschen, schlängelnden Bewegung vor, unterlief ihre Deckung und zog eine flammende Spur aus Schmerz über ihren Oberschenkel; gleichzeitig schlug sie mit dem Schild nach Tallys Kopf und zwang sie so, in genau die Richtung zurückzuweichen, in der sie sie haben wollte – fort von der Tür und auf die Theke und ihre Begleiter zu, die zweifellos nur darauf warteten, Tally in den Rücken zu fallen.
Der zweite Hieb traf sie in den Oberarm; nicht sehr tief, aber so schmerzhaft, daß sie aufschrie und um ein Haar das Gleichgewicht verlor. Angella heulte triumphierend auf, setzte ihr nach und fiel auf ein Knie herab, als Tally nicht weiter zurückwich, sondern ihr im Gegenteil entgegensprang und ihr mit aller Kraft vors Schienbein trat. Trotzdem besaß sie noch genug Geistesgegenwart, den linken Arm hochzureißen und Tallys nachgesetzten Schwerthieb aufzufangen. Der Hieb war so gewaltig, daß der kleine Metallschild in zwei Teile zerbrach. Angella fiel mit einem schrillen Schmerzlaut auf die Seite und preßte den Arm gegen den Leib.
Aber Tally blieb keine Zeit, auch nur so etwas wie Triumph zu empfinden, denn statt Angella griffen nun die vier Kerle an, die in ihrer Begleitung waren. Und sie taten Tally nicht noch einmal den Gefallen, sie zu unterschätzen.
Der Kampf war aussichtslos. Ihre Klinge war den schartigen Waffen der Angreifer überlegen, und sie war zweifellos auch die bessere Schwertkämpferin – aber sie waren zu viert, und der Begriff
Ein Schwert hämmerte in das morsche Holz und verfehlte sie. Dann stürzte sie auf der anderen Seite der Theke herab, rollte herum und sah einen Schatten über sich aufragen. Blindlings stieß sie die Klinge nach oben, traf auf Widerstand und hörte einen gurgelnden Schrei. Als sie sich aufrichtete, brach einer der vier Angreifer mit durchschnittener Kehle zusammen.
Die drei anderen versuchten gleichzeitig, über die Theke zu springen. Tally packte den mittleren Burschen beim Schopf, knallte sein Gesicht wuchtig auf das harte Holz und sprang über seinen Rücken hinweg – und um ein Haar in Angellas Schwert hinein.
Die junge Frau hatte sich taumelnd aufgerichtet. Ihr Gesicht war aschfahl, und ihr linker Arm schien gebrochen zu sein, denn er hing nutzlos herab, und ihr Mund war vor Schmerz zu einem dünnen blutleeren Strich geworden. Aber ihre Augen flammten vor Haß, und schon ihr erster Hieb bewies Tally, daß sie höchstens noch gefährlicher geworden war.
Angella griff rücksichtslos an. Ihre Hiebe kamen so schnell und kraftvoll, daß Tally plötzlich alle Hände voll zu tun hatte, nicht getroffen zu werden und an ein Zurückschlagen nicht einmal denken konnte. Und die Geräusche hinter ihr bewiesen sehr deutlich, daß die drei Halsabschneider bereits dabei waren, erneut über die Theke zu klettern und ihr in den Rücken zu fallen. Tally setzte alles auf eine Karte. Als Angella das nächste Mal zu einem Hieb ausholte, fing sie das Schwert nicht mit der eigenen Klinge auf, sondern drehte sich blitzschnell zur Seite, spürte einen entsetzlichen, reißenden Schmerz in der Schulter und stieß gleichzeitig zu. Angella keuchte. Ihre Augen wurden dunkel vor Schmerz. Eine halbe Sekunde lang stand sie einfach reglos da und starrte auf das Schwert, das ihre Brust dicht unterhalb des Herzens durchbohrt hatte. Dann taumelte sie zurück, fiel auf die Knie herab und preßte beide Hände gegen den Leib. Dunkles Blut sickerte zwischen ihren Fingern hindurch.