Читаем Die Töchter des Drachen полностью

Sorgfältig verband sie all die kleineren und größeren Wunden, die sie davongetragen hatte, und umwickelte zum Schluß auch ihre nackten Füße mit zusammengedrehten Stoffstreifen – alles andere als ein Ersatz für Schuhe, aber immerhin ein gewisser Schutz vor der Kälte. Schließlich streifte sie ihren Mantel wieder über, legte den linken Arm in die provisorische Schlinge, die sie geknotet hatte, und ging weiter.

Eine Stunde später erreichte sie den Rand der Welt. Die Straße hörte so jäh auf, daß Tally mit einem erschrockenen Laut zurückprallte. Es gab keine Mauer, kein Geländer, keine irgendwie geartete Warnung: wo sie stand, war der eiskalte glatte Fels des Kopfsteinpflasters, und zwei Schritte weiter gähnte das Nichts, ein fünf oder auch fünfzig Meilen tiefer Abgrund, der schon nach wenigen Schritten mit der Nacht verschmolz.

Tally starrte mit klopfendem Herzen in die Leere hinaus. Das also war der Schlund, das große Nichts, die Klippe, an der die Welt aufhörte. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, am Morgen desselben Tages, vom Rücken des Trägers aus, aber selbst da hatte noch eine halbe Meile zwischen ihr und dieser Alptraumklippe gelegen. Sie war sicher gewesen; der Schlund ein Alptraum, der entsetzlich, aber ungefährlich war. Jetzt war sie ihm ganz nahe.

Sie spürte den Sog der Tiefe, das Zittern der Milliarden Tonnen Fels unter ihren Füßen, an denen der Wind und die Ewigkeit zerrten, und das leise, verlockende Wispern am Grund ihrer Seele... Fast ohne es selbst zu merken, ging sie die zwei Schritte bis zur Klippe und blieb erst stehen, als vor ihren nackten Zehen nichts mehr war. Unter ihr lag Schwärze, eine so tiefe, allumfassende Schwärze, wie sie sie niemals zuvor erblickt hatte. Etwas schien sich in dieser Dunkelheit zu bewegen, ein gewaltiger Strudel aus Nichts, der sich schwarz auf noch dunklerem Hintergrund drehte, der lockte und rief...

»Ich würde das nicht tun«, sagte eine Stimme hinter ihr. Tally fuhr erschrocken zusammen, wurde sich plötzlich der Gefahr bewußt, in der sie sich befand, und trat hastig einen Schritt von der Klippe zurück. Erst dann drehte sie sich herum. Unter dem Mantel tastete ihre Hand nach dem Schwert. Aber sie spürte, daß sie einen weiteren Kampf jetzt nicht mehr durchstehen würde.

»Wer... ist da?« fragte sie stockend.

Ein dunkler, nicht sehr großer Umriß löste sich aus den Schatten der Häuser. Tally erkannte hellblondes, kurzgeschnittenes Haar, ein Paar dunkler, durchaus freundlicher Augen, eine Hand, die lose auf einem Schwert lag.

»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte der Fremde. Er lachte leise. »Aber ich glaube, du hast sowieso vor nichts mehr Angst, wie?«

Tally verstand nicht, was die Worte des Fremden bedeuteten. Aber sie glaubte zu spüren, daß er wirklich nichts übles wollte.

»Es geht mich zwar nichts an«, fuhr er fort, »aber wenn du meine Meinung hören willst, wäre es falsch.« Er machte eine Kopfbewegung auf den Schlund. »Und es ist nicht einmal so leicht, wie die meisten glauben. Der Sturz dauert sehr, sehr lange.«

Endlich begriff Tally. Aus irgendeinem Grunde war der Fremde wohl der Ansicht, sie wäre hierher gekommen, um in den Schlund zu springen – in einer Stadt wie Schelfheim sicherlich eine sehr beliebte Methode, seinem Leben ein Ende zu bereiten.

»Du täuschst dich«, sagte sie. »Ich... ich bin nicht hier, um zu springen.«

Einen Moment lang blickt der Fremde sie durchdringend an, dann begann er zu lächeln. »Dann habe ich mich blamiert«, sagte er verlegen. »Die meisten kommen hierher, um zu springen, weißt du?«

Er kam näher, blieb wieder stehen, als Tally erschrocken zusammenfuhr, und deutete auf den Arm, den sie in der Schlinge trug. »Was ist passiert? Hat dich dein Mann geschlagen und auf die Straße hinausgejagt, oder bist du überfallen worden?«

»Ich habe keinen Mann«, antwortete Tally ausweichend.

»Dann solltest du nicht allein in dieser Gegend herumlaufen«, fuhr der andere fort. »Nicht, wenn du wirklich am Leben bleiben willst. Hast du einen Platz zum Schlafen?«

»Ich fürchte, ich habe mich verirrt«, gestand Tally. »Ich suche jemanden.«

»Und wen?« Der Fremde lächelte, als Tally zögerte, zu antworten. »Wahrscheinlich hast du Grund, mißtrauisch zu sein«, sagte er. »Aber ich kenne mich hier aus. Wenn dein Freund hier im Norden lebt, kenne ich ihn.«

»Karan«, antwortete Tally. »Sein Name ist Karan.«

»Karan?« Der Blonde runzelte verwundert die Stirn. Plötzlich glaubte Tally so etwas wie Mißtrauen in seinem Blick zu erkennen. »Karan ist ein Freund von dir?«

»Eher der Freund eines Freundes«, antwortete Tally ausweichend. »Oder sagen wir: der Bekannte eines Bekannten. Wir wollten uns bei ihm treffen. Weißt du, wo er zu finden ist?«

Der andere nickte. »Sicher. Es ist nicht einmal weit. Ich bringe dich hin.«

Tally zögerte. »Es... es reicht, wenn du mir den Weg beschreibst«, sagte sie.

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Андрей Боярский

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