Читаем Zweiter Tag - Die Furcht des Weisen Band 2 полностью

»Was heißt viele?« Es war eine neue Frage, nicht die Aufforderung, meine Antwort zu verdeutlichen.

»Wenn man tötet, ist einer viele.«

Shehyn nickte kaum merklich. »Hast du dabei im Geist des Lethani gehandelt?«

»Vielleicht.«

»Warum antwortest du nicht mit Ja oder Nein?«

»Weil ich nicht immer weiß, was Lethani ist.«

»Und warum nicht?«

»Weil es mir nicht immer klar ist.«

»Und was macht Lethani klar?«

Ich zögerte, obwohl ich wusste, dass ich das eigentlich nicht durfte. »Die Worte eines Lehrers.«

»Kann man Lethani lehren?«

Ich wollte die Geste für unsicher machen, doch dann fiel mir ein, dass Gebärdensprache in dieser Situation unangemessen war. »Vielleicht«, sagte ich. »Ich kann es nicht.«

Tempi bewegte sich auf seinem Stuhl. Die Befragung nahm keinen guten Anfang. Weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen, holte ich tief Luft, versuchte mich zu entspannen und versenkte mich in das Kreiselnde Blatt.

»Wer kennt den Geist des Lethani?«, fragte Shehyn.

»Das Blatt, das sich im Wind bewegt«, antwortete ich, ohne zu wissen, was ich damit meinte.

»Woher kommt das Lethani?«

»Vom selben Ort wie das Lachen.«

Shehyn zögerte kurz. »Wie folgt man ihm?«

»Wie folgt man dem Mond?«

In den Gesprächen mit Tempi hatte ich gelernt, auf die verschiedenen Pausen einer Unterhaltung zu achten. Im Ademischen kann man mit Schweigen genauso viel sagen wie mit Worten. Es gibt bedeutungsvolle Pausen, Höflichkeitspausen, verwirrte Pausen, vielsagende Pausen, entschuldigende Pausen, Pausen, die etwas betonen …

Die Pause, die auf meine Worte folgte, war wie eine plötzliche Lücke im Gespräch, wie der leere Raum der eingeatmeten Luft. Ich spürte, dass ich entweder etwas sehr Kluges oder etwas sehr Dummes gesagt hatte.

Shehyn setzte sich ein wenig anders hin, und die förmliche Atmosphäre war auf einmal verschwunden. Ich hatte das Gefühl, dass wir jetzt vorankamen, und tauchte wieder aus dem Kreiselnden Blatt auf.

Shehyn sah Carceret an. »Was meinst du?«

Carceret hatte bisher so ausdrucks- und bewegungslos dagesessen wie eine Statue. »Ich wiederhole, was ich schon gesagt habe. Tempi hat unser Vertrauen missbraucht. Er sollte abgeschnitten werden. Dafür haben wir unsere Gesetze. Ein Gesetz zu missachten hieße, es zu beseitigen.«

»Dem Gesetz blind zu folgen hieße, ein Sklave zu sein«, warf Tempi rasch ein.

Shehyn machte die Geste für scharfen Tadel, und Tempi wurde vor Verlegenheit rot.

»Und was den angeht …« Carceret zeigte auf mich. Wegschicken. »Er stammt nicht von hier. Im besten Fall ist er ein Dummkopf, im schlimmsten ein Lügner und Dieb.«

»Und was er heute gesagt hat?«, fragte Shehyn.

»Ein Hund kann drei Mal bellen, ohne zu zählen.«

Shehyn wandte sich an Tempi. »Wer zur unrechten Zeit spricht, weigert sich, zur rechten Zeit zu sprechen.« Tempi wurde wieder rot. Bemüht, die Fassung zu wahren, presste er die Lippen zusammen, bis sie weiß wurden.

Shehyn holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. »Ketan und Lethani machen uns zu Ademre«, sagte sie dann. »Ein Barbar kann unmöglich vom Ketan wissen.« Sowohl Tempi als auch Carceret wollten etwas sagen, doch Shehyn hob die Hand. »Zugleich wäre es falsch, jemanden zu vernichten, der Lethani versteht. Das Lethani vernichtet sich nicht selbst.«

Sie sagte es ganz beiläufig, und ich hoffte, dass ich das ademische Wort für »vernichten« vielleicht nicht richtig verstand.

»Einige sagen vielleicht: ›Der hat genug‹«, fuhr Shehyn fort. »›Er soll nicht auch noch das Lethani lernen, denn wer Lethani kennt, überwindet alle Hindernisse.‹«

Sie sah Carceret streng an. »Aber ich teile diese Meinung nicht. Ich glaube, die Welt wäre besser dran, wenn mehr Menschen im Geist des Lethani handelten. Denn Lethani verleiht zwar Macht, lehrt zugleich jedoch auch den weisen Umgang mit ihr.«

Es folgte eine lange Pause. Ich spürte einen Knoten im Magen, versuchte aber nach außen Ruhe zu bewahren.

»Ich halte es für möglich«, sagte Shehyn schließlich, »dass Tempi keinen Fehler gemacht hat.«

Das klang zwar noch keineswegs nach freudiger Zustimmung, aber daran, wie Carceret sich plötzlich versteifte und Tempi erleichtert ausatmete, merkte ich, dass das Gespräch sich zu unseren Gunsten entwickelte.

»Ich werde ihn Vashet übergeben«, sagte Shehyn.

Tempi erstarrte, Carceret bekundete mit einer Handbewegung ähnlich dem Lächeln eines Irren ihre vollkommene Zustimmung.

»Ihr wollt ihn dem Hammer übergeben?« Tempis Stimme klang gepresst, und er bewegte hastig die Hand hin und her. Achtung. Ablehnung. Achtung.

Shehyn stand auf und erklärte das Gespräch mit einer Geste für beendet. »Wer wäre dazu besser geeignet? Der Hammer wird zeigen, ob dein Schüler Eisen ist, das es verdient, geschmiedet zu werden.«

Shehyn nahm Tempi zur Seite und sprach kurz mit ihm. Sie strich dabei leicht mit den Händen über seine Arme. Leider war ihre Stimme selbst für meine im Lauschen so geübten Ohren zu leise.

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Андрей Боярский

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