Elodin wollte nicht und wurde allgemein auch als zu unberechenbar für diesen Posten angesehen. Und Brandeur hängte sein Mäntelchen ohnehin stets nach Hemmes Wind.
Also ließ sich Hemme auf dem Stuhl des Rektors nieder. Das ging mir zwar fürchterlich gegen den Strich, hatte aber auf mein alltägliches Leben so gut wie keine Auswirkungen. Ich achtete von nun an lediglich sehr darauf, nicht einmal gegen die kleinsten Regeln der Universität zu verstoßen, da ich wusste, dass Hemmes Votum zu meinen Ungunsten, sollte man mich nun auf die Hörner nehmen, doppelt zählen würde.
Als dann die nächsten Zulassungsprüfungen nahten, war Meister Herma immer noch geschwächt und fieberkrank. Mit ziemlichem Bauchgrimmen sah ich meiner ersten Prüfung unter Hemmes Vorsitz entgegen.
Die Befragungen absolvierte ich mit der gleichen geschickten List, die ich schon in den vorigen beiden Trimestern angewandt hatte: Ich zögerte bei einigen Antworten und beging ein paar Fehler, und anschließend hatte man mir jeweils Studiengebühren von zwanzig Talenten oder so aufgebrummt. Es war genug, um ein bisschen Geld damit zu verdienen, aber nicht genug, um mich allzu sehr zu blamieren.
Hemme stellte mir wie stets irreführende Fragen, aber das war ja nichts Neues mehr für mich. Der einzige Unterschied schien darin zu bestehen, dass Hemme nun ständig lächelte. Und es war kein freundliches Lächeln.
Anschließend berieten sich die Meister wie üblich leise. Dann verlas Hemme die Höhe meiner Studiengebühren: Fünfzig Talente. Der Rektor hatte offenbar einen größeren Einfluss auf diese Dinge, als mir bis dahin bewusst gewesen war.
Ich biss mir auf die Lippen, um nicht laut loszulachen, und setzte dann eine niedergeschlagene Miene auf, als ich ins Untergeschoss des Hollows zum Büro des Quästors ging. Riems Augen leuchteten auf, als er den Zettel mit dem Betrag erblickte. Er verschwand in seinem Hinterzimmer und kam kurz darauf mit einem Umschlag aus dickem Papier wieder.
Ich bedankte mich bei ihm und ging zurück auf mein Zimmer im ANKER’S, und den ganzen Weg über behielt ich meine missmutige Miene bei. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, riss ich den Umschlag auf und kippte mir den Inhalt in die Hand: zwei glänzende Goldmark, jeweils zehn Talente wert.
Da erst lachte ich. Ich lachte, bis mir die Tränen kamen und ich Seitenstechen bekam. Dann zog ich meine besten Kleider an und versammelte meine Freunde um mich: Wilem und Simmon, Fela und Mola. Ich schickte einen Boten nach Imre und lud auch Devi und Threpe ein. Darauf mietete ich einen Vierspänner, und gemeinsam fuhren wir über den Fluss.
Wir hielten vor dem EOLIAN. Denna war nicht da, aber ich sammelte stattdessen Deoch ein, und weiter ging es zum KING’S ARMS, ein Etablissement von der Art, wie es sich kein rechtschaffener Student jemals leisten konnte. Der Portier musterte uns bunten Haufen mit verächtlichem Blick, als wollte er uns abweisen, doch dann setzte Threpe sein schönstes Oberschichts-Stirnrunzeln auf und geleitete uns hinein.
Es begann ein Abend der lukullischen Ausschweifungen, wie ich sie seither nur selten wieder erlebt habe. Wir aßen und tranken, und ich zahlte mit großem Vergnügen alles. Wasser kam uns lediglich in den Handwaschschalen auf den Tisch. Unsere Kelche enthielten ausschließlich alte vintische Weine, dunklen Scutten, kühlen Metheglin und süßen Obstbrand, und jeder unserer Trinksprüche schloss mit einem Lob auf Hemmes Torheit.
Kapitel 151
Schlösser
Kvothe atmete tief durch und nickte. »Lasst uns an dieser Stelle aufhören«, sagte er. »Zum ersten Mal im Leben hatte ich Geld in der Tasche. Und ich war von Freunden umgeben. Das ist doch ein guter Moment, um für heute Schluss zu machen.« Er rieb sich die Hände, wobei er unwillkürlich mit der rechten die linke massierte. »Wenn wir noch weiter fortfahren würden, würde es wieder düster.«
Der Chronist nahm den kleinen Stapel der vollständig beschriebenen Seiten, klopfte ihn mit der Unterkante auf dem Tisch gerade und legte dann die letzte, halb beschriebene Seite oben drauf. Er öffnete seine Ledermappe, nahm die grüne Stechpalmenkrone heraus und legte das Manuskript hinein. Dann schraubte er sein Tintenfass zu und begann seine Schreibfeder auseinanderzunehmen und zu reinigen.
Kvothe stand auf und streckte sich. Dann sammelte er die leeren Teller und Trinkgefäße ein und brachte sie in die Küche.
Bast saß einfach nur da und sah ausdruckslos vor sich hin. Er regte sich nicht. Er schien kaum zu atmen. Nachdem das einige Minuten so gegangen war, begann der Chronist ihm Blicke zuzuwerfen.
Kvothe kam in den Schankraum zurück und runzelte die Stirn. »Bast«, sagte er.
Bast blickte langsam zu dem Mann hinterm Tresen hinüber.
»Die Totenfeier für Shep ist immer noch im Gange«, sagte Kvothe. »Und heute Abend muss hier nicht groß saubergemacht werden. Wieso gehst du nicht noch mal hin? Sie werden sich freuen, dich zu sehen …«