Ich biss die Zähne zusammen, war zwischen Verwirrung, Verlegenheit und Furcht hin- und hergerissen. Ich war zu dreist gewesen und hatte alles verdorben, genau wie ich es immer befürchtet hatte. Ab wann war mir dieses Gespräch eigentlich so vollkommen entglitten?
»Wie bitte?«, fragte ich töricht.
»Du hast mich schon verstanden.« Denna richtete ihre Kleider, wobei sie sich mit einer Steifheit bewegte, die ich gar nicht an ihr kannte. Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und flocht es zu einem dicken Zopf. Während ihre Finger die einzelnen Strähnen zusammenflochten, konnte ich dort einen Moment lang ganz deutlich lesen: »Sprich mich nicht an.«
Ich mag ja manchmal etwas schwer von Begriff sein, aber eine so deutliche Botschaft verstehe selbst ich. Ich machte den Mund zu und verkniff mir meine nächste Bemerkung.
Als Denna sah, dass ich ihre Hand betrachtete, nahm sie die Hände verlegen weg, ohne ihren Zopf zuzubinden. Ihr Haar befreite sich schnell von selbst und fiel ihr auf die Schultern hinab. Sie sah auf ihre Hände und drehte nervös an einem Ring herum.
»Moment mal«, sagte ich. »Das hätte ich fast vergessen.« Ich griff in eine Innentasche meiner Weste. »Ich habe ein Geschenk für dich.«
Sie kniff den Mund zusammen und sah zu meiner ausgestreckten Hand hinüber. »Auch du, Kvothe?«, sagte sie. »Ich dachte wirklich, du wärest anders als die anderen.«
»Das bin ich hoffentlich auch«, sagte ich und öffnete meine Hand. Ich hatte den hellblauen Stein auf Hochglanz poliert, und der Sonnenschein fing sich in seinem Schliff.
»Oh!« Denna hielt sich die Hände vor den Mund, und mit einem Mal schwammen ihre Augen in Tränen. »Ist er das wirklich?« Sie streckte beide Hände aus, um den Ring entgegen zu nehmen.
»Ja, das ist er«, sagte ich.
Sie drehte ihn hin und her, zog einen anderen Ring ab und steckte sich diesen an den Finger. »Er ist es«, sagte sie, immer noch vollkommen verblüfft, und nun liefen ihr Tränen die Wangen hinab.
»Woher …?«
»Ich habe ihn von Ambrose«, sagte ich.
»Oh.« Sie trat von einem Fuß auf den anderen, und wieder stand dieses Schweigen zwischen uns.
»Es war nicht allzu schwierig«, sagte ich. »Es tut mir bloß leid, dass es so lange gedauert hat.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll«, sagte Denna und umschloss mit ihren Händen meine Hand.
Man sollte ja meinen, dass das geholfen hätte. Dass diese Gabe und dieser Händedruck zwischen uns alles wieder ins Lot gebracht hätte. Doch das Schweigen zwischen uns war wieder da, tiefer als je zuvor. Dieses Schweigen war so dick, dass man es sich aufs Brot hätte schmieren können. Manchmal lässt sich so ein Schweigen nicht einmal mit Worten vertreiben. Und Denna berührte zwar meine Hand, hielt sie aber nicht. Das ist ein himmelweiter Unterschied.
Denna hob den Blick. »Das Wetter schlägt um«, sagte sie. »Wir sollten aufbrechen, bevor es zu regnen anfängt.«
Ich nickte. Während wir fortgingen, glitten schon Wolkenschatten über die Wiese hinter uns.
Kapitel 149
Wirrnis
Das ANKER’S war so gut wie leer, nur Sim und Fela saßen an einem der hinteren Tische. Ich ging hinüber und setzte mich zu ihnen, mit dem Rücken zur Wand.
»Und?«, fragte Sim. »Wie ist es gestern gelaufen?«
Ich ignorierte die Frage, wollte nicht darüber reden.
»Was war denn gestern?«, fragte Fela neugierig.
»Er hat den Tag mit Denna verbracht«, sagte Sim. »Den ganzen Tag.«
Ich zuckte die Achseln.
Sims heitere Miene schwand ein wenig. »Nicht so gut?«, fragte er vorsichtig.
»Nein, nicht besonders«, sagte ich. Ich sah zum Tresen hinüber, erhaschte Laurels Blick und bestellte mit einer Geste, was die Küche gerade hergab.
»Würde dich die Meinung einer Dame dazu interessieren?«, fragte Fela behutsam.
»Nein, aber deine durchaus.«
Sim lachte, und Fela verzog das Gesicht. »Ich helfe dir trotzdem«, sagte sie. »Komm, schütt’ der guten Tante Fela dein Herz aus.«
Also erzählte ich es ihr, in groben Zügen. Ich versuchte nach Kräften, die ganze Situation zu schildern, aber der Kern dessen schien sich jeder Erklärung zu entziehen. Jedes Mal, wenn ich versuchte, es in Worte zu fassen, klang es einfach nur töricht.
»Das ist alles«, sagte ich, nachdem ich mich einige Minuten lang mit dem Thema abgeplagt hatte. »Oder besser gesagt: Jetzt habe ich lange genug darüber geredet. Sie verwirrt mich mehr als alles andere auf der Welt.« Ich pulte mit einem Finger an einem Splitter in der Tischplatte herum. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich etwas nicht verstehe.«
Laurel brachte mir eine Schale Kartoffelsuppe und ein paar Scheiben warmes Brot dazu. »Möchtest du sonst noch etwas?«, fragte sie.
»Nein, vielen Dank.« Ich schenkte ihr ein Lächeln und betrachtete dann, als sie zum Tresen zurückging, ihre Rückansicht.
»Also gut«, sagte Fela in geschäftsmäßigem Ton. »Fangen wir mal mit deinen Vorzügen an. Du bist charmant, siehst gut aus und bist überaus höflich im Umgang mit Frauen.«