»Er hat ihn zurückgefordert.« Ich nahm den Brief des Maer vom Tisch und gab ihn ebenfalls Bredon.
»Zum frühestmöglichen Zeitpunkt«, las Bredon vor und lachte trocken. »Das sagt einiges.« Er senkte den Brief. »Trotzdem ist es wahrscheinlich besser so. Wenn er dich bleiben ließe, würden die beiden ihren Streit auf deinem Rücken austragen. Du wärst das Pfefferkorn zwischen ihrem Mörser und seinem Stößel, und sie würden dich im Zank zermahlen.«
Sein Blick kehrte zu dem hölzernen Ring an meiner Hand zurück. »Sie hat ihn dir vermutlich nicht persönlich überreicht?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Sie schickte ihn durch einen Boten.« Ich seufzte leise. »Die Wachen haben ihn auch gesehen.«
Es klopfte. Ich machte auf, und ein Laufbote übergab mir einen Brief.
Ich schloss die Tür und betrachtete das Siegel. »Von Lord Praevek.«
Bredon schüttelte den Kopf. »Ich schwöre, dieser Mann ist jeden wachen Moment seines Lebens damit beschäftig, an einem Schlüsselloch zu lauschen oder jemandem in den Hintern zu kriechen.«
Ich grinste, riss den Brief auf und überflog ihn. »Auch er will seinen Ring zurück«, sagte ich. »Die Tinte ist verschmiert, er hat sie nicht einmal trocknen lassen.«
Bredon nickte. »Die Neuigkeit breitet sich aus. Das wäre an sich nicht so schlimm, wenn Meluan nicht einen so starken Einfluss auf Alveron hätte. Doch den hat sie, und sie hat ihre Meinung klar ausgedrückt. Wer dich besser als einen Hund behandelt, fällt der Verachtung anheim, die sie für dich empfindet. Und mit einer solchen Verachtung ist nicht zu spaßen.«
Bredon zeigte auf die Schale mit den Ringen und ließ ein trockenes, freudloses Lachen hören. »Wo du doch gerade die ersten silbernen Ringe bekommen hast.«
Ich ging zu der Schale, suchte seinen Ring heraus und hielt ihn ihm hin. »Auch Ihr solltet den Euren zurücknehmen.«
Bredon sah mich gequält an, machte aber keine Anstalten, den Ring zu nehmen.
»Ich werde bald abreisen«, sagte ich. »Und es wäre mir ein schrecklicher Gedanke, wenn Euch durch den Umgang mit mir Nachteile entstünden. Ich kann Euch gar nicht genug für Eure Hilfe danken, aber ich kann wenigstens dazu beitragen, den Schaden für Euren Ruf möglichst gering zu halten.«
Bredon zögerte, schloss die Augen und seufzte. Mit einem resignierten Schulterzucken nahm er den Ring.
»Halt«, sagte ich, denn mir war plötzlich noch etwas anderes eingefallen. Ich ging zu dem Stapel mit Klatschgeschichten und zog die Seiten heraus, auf denen das heidnische Treiben Bredons beschrieben wurde. »Das amüsiert Euch vielleicht«, sagte ich und gab ihm die Blätter. »Jetzt solltet Ihr wohl gehen. Zu lange hier zu sein ist für Euch bestimmt nicht gut.«
Bredon seufzte wieder und nickte. »Es tut mir leid, dass es hier zu einem so unerfreulichen Ende für dich kommt. Wenn du je in diese Gegend zurückkehrst, lass es mich bitte wissen. Solche Verstimmungen legen sich nach einiger Zeit wieder.« Sein Blick kehrte zu dem hölzernen Ring an meinem Finger zurück. »Aber du solltest den Ring wirklich nicht tragen.«
Nachdem er gegangen war, suchte ich Stapes’ silbernen und Alverons eisernen Ring aus der Schale heraus und trat in den Gang.
»Ich will Stapes einen Besuch abstatten«, sagte ich höflich zu den beiden Leibwächtern. »Wollt ihr mich begleiten?«
Der größere der beiden warf einen verstohlenen Blick auf den Ring an meinem Finger, dann sah er seinen Gefährten an und nickte. Ich ging los und die beiden folgten mir.
Stapes schob mich in sein Wohnzimmer und schloss die Tür hinter mir. Seine Räume waren noch prächtiger als meine und entschieden wohnlicher. Auf einem Tisch stand eine große Schale mit Ringen, alle aus Gold. Der einzige eiserne Ring war der von Alveron, und der steckte an Stapes’ Finger.
Stapes mochte aussehen wie ein Krämer, aber seinem scharfen Blick entging nichts. Er bemerkte den Ring an meinen Finger sofort. »Sie hat ihn Euch also geschickt«, sagte er kopfschüttelnd. »Ihr solltet ihn wirklich nicht tragen.«
»Ich schäme mich nicht für das, was ich bin«, erwiderte ich. »Wenn das der Ring eines Edema Ruh ist, werde ich ihn tragen.«
Stapes seufzte. »Es ist nicht so einfach.«
»Ich weiß. Ich bin auch nicht gekommen, um Euch das Leben schwer zu machen. Könnt Ihr das für mich dem Maer zurückgeben?« Ich reichte ihm Alverons Ring.
Stapes steckte ihn ein.
»Außerdem möchte ich diese beiden Ringe zurückgeben.« Ich reichte ihm die Ringe, die ich von ihm bekommen hatte, den aus Silber und den aus Bein. »Es soll nicht zu Verstimmungen zwischen Euch und der jungen Frau Eures Herrn kommen.«
Stapes nickte und nahm den silbernen Ring. »Ich käme tatsächlich in Schwierigkeiten, wenn Ihr den behalten hättet. Da ich in Diensten des Maer stehe, muss ich die Spielchen des Hofes mitspielen.«