Oben, vor Timms Appartementstür, sagte Lefuet: „Was wollen Sie eigentlich mit den Stimm-Aktien, Herr Thaler? Die müßten Sie doch laut Vertrag an Mister Penny abtreten.“
Timm dachte verzweifelt: „Schon wieder spricht er von Verträgen. Ein ganzer Geburtstag voller Papiere!“ Ihn zog es jetzt zu einem winzig kleinen Papier, einem eingerollten Zettel in einem Glasröhrchen. Es fiel ihm schwer, dem Baron eine Antwort zu geben. Aber er brachte es über sich zu sagen: „Vielleicht liegt mir daran, daß Mister Penny mehr Stimm-Aktien bekommt, Baron!“
„Hm“, machte Lefuet nachdenklich. Dann sagte er: „Ich habe heute noch einige wichtige Besprechungen. Was werden Sie tun?“
Timm faßte sich an die Stirn. „Die Kopfschmerzen lassen nicht nach, Baron. Ich werde mich hinlegen.“
„Tun Sie das“, lachte Lefuet. „Schlaf ist die beste Medizin.“ Dann ging er.
Timm aber schloß ungeduldig die Tür auf, trat ein in den Salon, schloß hinter sich wieder ab und stürzte in das Badezimmer.
Timm schaltete im Badezimmer nur die Lampe über dem Waschbecken und dem Spiegel an. Dann holte er die Lupe aus der kleinen Hausapotheke und den Zettel aus dem Glasröhrchen für Kopfweh-Tabletten. Sein Herz schien in der Gurgel zu sitzen, so stark war dort das Schlagen zu spüren.
Ehe der junge Herr im eleganten grauen Flanellanzug aber den Zettel las, vergewisserte er sich noch einmal, daß die Tür des Badezimmers verschlossen war. Dann stellte er sich neben das Waschbecken, blickte durch die Lupe auf das kleine Papier und war - Flanell hin, Flanell her - nur noch ein maßlos aufgeregter Junge.
Die Lupe in der Hand zitterte; dennoch vermochte Timm die Schrift zu entziffern. Er las mit wachsendem Erstaunen:
Timm ließ Zettel und Lupe sinken und setzte sich auf den Rand der Wanne. Er zitterte immer noch vor Erregung, aber sein Kopf war klar. Er wußte: Diese Nachricht war verschlüsselt für den Fall, daß Lefuet sie in die Finger bekäme. Jetzt galt es, die versteckten Hinweise und Anspielungen zu entschlüsseln.
Wieder stellte er sich neben dem Waschbecken unter die Lampe und las die Nachricht langsam zum zweiten Male:
Das war einfach zu begreifen: Timm sollte dorthin kommen, wo er das Marionettenspiel gesehen hatte. Nach Ovelgönne ins Gasthaus.
Das war noch einfacher zu verstehen. Es war die wichtigste und köstlichste Nachricht des Papierchens. Sie hieß ganz einfach: Gewinne dein Lachen zurück! Und daß das möglich war, zeigte der nächste Satz:
Aber was bedeutete das Folgende?
Timm mußte in seinem Gedächtnis nachgraben. Doch dann kam er darauf: Südwind war ein Pferd gewesen! Das letzte Pferd, auf das er gewettet hatte. Und ein Herr, der ihm damals noch unbekannt gewesen war, hatte ihm abgeraten, auf das Pferd zu setzen: Kreschimir!
Kreschimir also wußte, wie Timm zu seinem Lachen kommen konnte! Der Junge hatte es geahnt. Aber die Gewißheit überwältigte ihn. Er mußte sich wieder auf den Rand der Wanne setzen. Das Licht war hell genug, um hier den Zettel weiterlesen zu können:
Der Taxichauffeur war Jonny. Daran zweifelte Timm keine Sekunde. Aber „das Haus der Räte“?
Über dieser ziemlich einfachen Verschlüsselung brütete Timm eine ganze Weile, ehe ihm klar wurde, was gemeint war: natürlich das Rathaus. Es war ja in unmittelbarer Nähe seines Hotels. Dort also würde Jonny in einem Auto auf ihn warten und ihn dann nach Ovelgönne fahren.
Aber der Zeitpunkt war ihm noch unklar.