Читаем Timm Thaler Oder das Verkaufte Lachen полностью

„Niemand kennt ihn gut, Timm. Er verändert sich wie ein Chamäleon. Jahrelang hatte er, um dir ein Beispiel zu nennen, einen verkniffenen Mund und stechende Augen, von denen ich hätte schwören mögen, daß sie wasserblau waren. Als ich ihn gestern wiedersah, hatte er warme braune Augen. Auch setzte er nicht wie sonst auf der Straße eine Sonnenbrille auf. Das Merkwürdigste aber ist, daß dieser Mann, den ich vorher niemals habe lachen hören, gestern wie ein kleiner Junge lachte. Er preßte auch nicht ein einziges Mal die Lippen aufeinander, wie er es sonst zu tun pflegte.“

Timm blickte rasch zum Fenster hinaus. Unwillkürlich hatte er die Lippen aufeinandergepreßt.

Herr Rickert spürte, daß irgend etwas in seiner Erzählung den Jungen zugleich gefesselt und verstört hatte. Er wechselte das Thema.

„Was willst du eigentlich in Hamburg?“

„Ich will Kellnerlehrling auf einem Schiff werden!“ Wieder wunderte Timm sich über seinen plötzlichen Entschluß, den er im Augenblick gefaßt hatte, der aber nahelag; denn als irgend etwas muß man ja anfangen, wenn man zur See fahren will.

Das Mopsgesicht ihm gegenüber strahlte jetzt vor Gönnerstolz.

„Timm, du bist ein Glückspilz!“ sagte Herr Rickert beinahe feierlich. „Wenn du zum Bahnhof willst, fährt eine Straßenbahn extra deinetwegen zum Bahnhof; und wenn du eine Stellung brauchst, schneit dir genau der Mann in den Weg, der sie dir verschaffen kann!“

„Können Sie mich als Kellnerlehrling unterbringen?“

„Kellner auf Schiffen heißen Stewards“, korrigierte der Reedereidirektor. „Und du wirst vermutlich als Moses oder Messeboy anfangen. Wichtig ist im Augenblick nur eines: Sind deine Eltern einverstanden?“

Timm überlegte ganz kurz und sagte dann: „Ich habe keine Eltern mehr!“ Die Stiefmutter verschwieg er; denn er wußte, daß sie ihm niemals die Erlaubnis geben würde, zur See zu fahren. Im übrigen verschwendete er kaum einen Gedanken an das, was hinter ihm lag. Er dachte viel heftiger über etwas anderes nach: War die Begegnung mit Herrn Rickert wirklich ein glücklicher Zufall, oder hatte der karierte Herr hier ebenso die Hand im Spiel wie bei dem Marmorgrabstein und bei der Straßenbahn?

Timm hatte mit seinem Lachen noch etwas anderes verloren: seine Arglosigkeit und sein Vertrauen in die Welt und in die Menschen. Und das war schlimm.

Herr Rickert stellte eine Frage, und der Junge mußte sich zusammennehmen, um den Sinn der Wörter überhaupt zu begreifen, so sehr wirbelten ihm die Gedanken durch den Kopf.

„Ich fragte, ob ich mich ein bißchen um dich kümmern soll?“ fragte Herr Rickert. „Oder gefällt dir mein Gesicht nicht?“

Sehr schnell antwortete Timm: „O doch! Sehr sogar!“ Und er meinte es ernst. Er hatte plötzlich das sichere Gefühl, dieser Mann sei zwar ein Angestellter, aber kein Spießgeselle jenes karierten Herrn, der in Timms Vorstellung erst zu dem reichen Baron Lefuet werden mußte. Timm war wieder ein argloses Kind, ein ganz gewöhnlicher Junge von vierzehn Jahren.

„Was ist eigentlich mit dir los?“ fragte Herr Rickert jetzt rundheraus. „Du hast heute noch nicht ein einziges Mal gelacht, obwohl du wahrhaftig Grund genug gehabt hättest. Ist dir irgend etwas Schlimmes passiert?“

Timm hätte sich jetzt am liebsten Herrn Rickert an den Hals geworfen wie die Leute in den Theaterstücken. Nur war es bei ihm kein Theater, sondern dieses schreckliche wilde Verlangen nach einem Menschen, dem er alles erzählen könnte.

Es war so schwer, dieses Verlangen zu unterdrücken, daß ihm die Tränen wie dicke blanke Kugeln aus den Augen sprangen vor lauter Verzweiflung und Hilflosigkeit.

Herr Rickert setzte sich neben ihn und sagte so trocken und so nebenbei wie möglich: „Komm, nicht weinen! Erzähl mir, was los ist!“

„Kann ich nicht!“ schrie Timm. Dann lehnte er sich ganz einfach an Herrn Rickert und ließ das Wasser aus den Augen laufen. Sein ganzer Körper wurde vom Weinen geschüttelt.

Der kleine rundliche Reedereidirektor nahm eine Hand des Jungen und hielt sie so lange, bis Timm vor Erschöpfung in Schlaf fiel.

<p><emphasis>Zehnter Bogen. </emphasis>Das Marionettentheater</p>

Das Schiff, auf dem Timm dem Steward zur Hand gehen sollte, hieß „Delphin“ und war ein Fracht-Passagier-Schiff, das die Route Hamburg - Genua fuhr.

Bis zur Abfahrt des Dampfers hatte Timm drei Tage Zeit. Er durfte im Hause des Herrn Rickert wohnen. Dieses Haus war, genau genommen, eine Villa.

Es stand an der vornehmen Elbchaussee, war weiß wie eine Wolke am Sommerhimmel, hatte an der Vorderfront einen runden Balkon, der von drei Säulen getragen wurde, und unter dem Balkon eine kleine Freitreppe, die links und rechts von zwei mildblickenden sandsteinemen Löwen bewacht wurde.

Timm sah mit Beklemmung dieses heitere, helle Haus. Früher, als er noch der lachende Gassenjunge gewesen war, wäre es ihm sicherlich wie ein schöner Traum erschienen, wie das Haus eines glücklichen Prinzen aus dem Märchen. Aber wer sein Lachen verkauft hat, kann kaum glücklich sein. Emst und traurig trat Timm zwischen den sanften Löwen in die weiße Villa ein.

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Денис Ратманов

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