»Sampson mit >p krähte der Junge impertinent durch das Fenster und stieß dann die hintere Tür von innen auf. Smiley kletterte hinein. Es roch nach einer Mischung von Rasierwasser und abgestandenem Zigarettenrauch. Er hielt eine Zehnpfundnote gut sichtbar in der Hand.
»Würden Sie bitte den Motor abstellen«, sagte Smiley.
Der Junge gehorchte und sah ihn dabei unverwandt im Rückspiegel an. Er war braunhaarig und trug eine Afro-Frisur. Weiße, sorgfältig manikürte Hände.
»Ich bin Privatdetektiv«, erklärte Smiley. »Sicher haben Sie oft mit unseresgleichen zu tun, und ich weiß, wir sind eine Landplage, aber ich würde mir eine kleine Auskunft gern etwas kosten lassen. Sie haben gestern eine Quittung über dreizehn Pfund ausgestellt. Können Sie sich an Ihren Fahrgast erinnern?«
»Großer Typ. Ausländer. Weißer Schnurrbart und Hinkebein.«
»Alt?«
»Sehr. Mit Krückstock und so.«
»Wo haben Sie ihn abgeholt?«
»Restaurant Cosmo, Praed Street, zehn Uhr dreißig vormittags«, rasselte der Junge in einem Zug herunter.
Praed Street war fünf Minuten zu Fuß von Westbourne Terrace entfernt.
»Und wo, bitte, haben Sie ihn hingefahren?«
»Charlton.«
»Charlton in Süd-Ost-London?«
»Sankt Sowieso-Kirche, Höhe Battle-of-the-Nile Street. Am Pub >Zum besiegten Frosch< abgesetzt.«
»Frosch?«
»Franzose.«
»Haben Sie ihn dort gelassen?«
»Eine Stunde gewartet, dann zurück zur Praed Street.«
»Hielten Sie sonst noch irgendwo?«
»Einmal vor einem Spielzeugladen, auf der Hinfahrt, einmal an einer Telefonzelle, auf dem Rückweg. Fahrgast kaufte Holzente auf Rädern.« Er drehte den Oberkörper, stützte das Kinn auf die Rückenlehne des Sitzes und spreizte respektlos die Hände, um die Größe anzuzeigen. »Gelbes Dings«, sagte er. »Das Telefonat war ein Ortsgespräch.«
»Woher wissen Sie das?«
»Hab ihm Twopence gepumpt, oder? Ist dann zurückgekommen und hat sich nochmal zwei Zehner ausgeliehen, für alle Fälle.«
Smiley reichte dem Jungen die Zehnpfundnote und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Sie können Ihrer Firma sagen, ich sei nicht aufgetaucht«, sagte er.
»Denen sag ich verdammtnochmal, was mir paßt, oder?«
Smiley kletterte hastig hinaus und konnte gerade noch die Tür schließen, ehe der Junge mit dem gleichen Höllentempo wieder abfuhr. Er vollendete im Stehen die zweite Lektüre des Briefes und hatte ihn nun endgültig im Kopf. Eine Frau, dachte er instinktiv. Und sie glaubt, daß sie sterben muß. Nun, das glauben wir alle, und wir haben recht. Er spielte sich selber den Leichtherzigen vor, den Gleichgültigen. Der Mensch verfügt nur über ein bestimmtes Quantum Mitgefühl, und meines, so befand er, ist für heute erschöpft. Aber der Brief erschreckte ihn dennoch und stachelte ihn aufs neue zur Eile an.
Er hatte Dinge zu verbergen. Zu kaschieren, wie man in Sarratt sagen mußte. Er fuhr mit Bussen, stieg mehrmals um, hielt nach Verfolgern Ausschau, döste. Das schwarze Motorrad mit seinem Beiwagen war nicht wieder aufgetaucht; er konnte keinen anderen Observanten ausmachen. In einem Schreibwarenladen in der Baker Street kaufte er eine große Pappschachtel, ein paar Zeitungen, Einwickelpapier und eine Rolle Scotchtape. Er rief ein Taxi, kauerte sich in den Fond und machte sein Paket zurecht. Er legte Wladimirs Zigarettenpäckchen hinein, zusammen mit dem Brief der Ostrakowa und stopfte den Leerraum mit Zeitungen aus. Er wickelte die Schachtel ein und verhedderte seine Finger im Scotchtape. Mit Klebebändern war er noch nie zu Rande gekommen. Er schrieb seinen eigenen Namen obenauf und den Zusatz »Wird abgeholt«. Er entlohnte das Taxi am Savoy Hotel, wo er die Schachtel, zusammen mit einer Pfundnote, dem Wärter des Waschraums für Herren zur Verwahrung gab.
»Nicht schwer genug für eine Bombe, wie, Sir?« fragte der Wärter und hielt das Paket scherzhaft ans Ohr.
»Da würde ich nicht so sicher sein«, sagte Smiley, und sie lachten beide herzhaft darüber.