»Ich habe gerade mit deinem Arzt gesprochen«, sagt Anja Larsson.
»Warum hast du mit meinem Arzt gesprochen?«, fragt Joona erstaunt.
»Janush sagt, dass du deine Termine nicht einhältst«, fährt sie fort.
»Ich hatte wirklich keine Zeit.«
»Aber die Tabletten nimmst du doch hoffentlich, oder?«
»Sie sind eklig«, scherzt Joona.
»Jetzt mal im Ernst … er hat angerufen, weil er sich Sorgen um dich macht«, sagt sie.
»Ich rede mit ihm.«
»Du meinst, wenn du den Fall gelöst hast?«
»Hast du Papier und Bleistift?«, erkundigt sich Joona.
»Mach dir um mich keine Sorgen.«
»Die Frau, die auf dem Motorboot gefunden wurde, heißt nicht Penelope Fernandez.«
»Sondern Viola, ich weiß«, erwidert sie. »Petter hat mich auf den neuesten Stand gebracht.«
»Gut.«
»Du lagst falsch, Joona.«
»Ja, ich weiß …«
»Sag es!« Sie lacht.
»Ich liege immer falsch«, entgegnet er leise.
Sie verstummen für einen Moment.
»Darf man darüber keine Witze machen?«, fragt sie vorsichtig.
»Hast du schon etwas über das Boot und Viola Fernandez herausgefunden?«
»Viola und Penelope sind Schwestern«, berichtet sie. »Penelope und Björn Almskog sind seit vier Jahren ein Paar, oder wie man es ausdrücken soll.«
»Ja, das war ungefähr das, was ich mir auch gedacht habe.«
»So, so. Soll ich weitermachen, oder ist das nicht mehr nötig?«
Joona antwortet nicht, lehnt nur den Kopf gegen die Nackenstütze und sieht, dass die Windschutzscheibe vom Blütenstaub irgendeines Baums bedeckt ist.
»Dass Viola mitkommt, war nicht geplant«, fährt Anja fort. »Sie hatte sich am Morgen mit ihrem Typen Sergej Jarushenko gestritten, ihre Mutter angerufen und geweint. Ihre Mutter schlug ihr vor, Penelope zu fragen, ob sie mitkommen könne.«
»Was weißt du über Penelope?«
»Ehrlich gesagt habe ich mich auf das Opfer konzentriert, auf Viola Fernandez, weil …«
»Aber der Mörder dachte, er hätte Penelope getötet.«
»Moment mal, was sagst du da, Joona?«
»Er beging einen Fehler, er hatte die Absicht, den Mord zu vertuschen, es wie einen Bootsunfall aussehen zu lassen, setzte Viola aber auf dem Bett ihrer Schwester ab.«
»Weil er dachte, Viola wäre Penelope.«
»Ich muss alles über Penelope Fernandez und ihr …«
»Sie ist eines meiner größten Idole«, unterbricht Anja ihn. »Sie ist Friedensaktivistin und wohnt in der Sankt Paulsgatan 3.«
»Wir haben für sie und Björn Almskog über das Intranet eine Suchmeldung herausgegeben«, sagt Joona. »Und der Seenotrettungsdienst sucht das Gelände rund um Dalarö mit zwei Hubschraubern ab, und sie sollten gemeinsam mit der Wasserschutzpolizei auch eine Suchaktion an Land organisieren.«
»Ich werde mir mal ansehen, was da im Gange ist«, sagt sie.
»Außerdem muss jemand Bill Persson, diesen Fischer, der sie auf der Jacht gefunden hat, und Violas Freund vernehmen. Wir müssen die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung des Boots zusammenstellen und möglichst schnell auch an die Untersuchungsergebnisse vom Labor in Linköping kommen.«
»Soll ich in Linköping anrufen?«
»Ich rede mit Erixon, er kennt die Leute dort, ich treffe mich ohnehin mit ihm, um einen Blick in Penelopes Wohnung zu werfen.«
»Das hört sich an, als würdest du die Ermittlungen leiten. Tust du das, Joona?«
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17
Der Sommerhimmel ist noch klar, aber die Luft wird immer schwüler, als läge ein Gewitter in der Luft.
Joona Linna und Erixon parken vor einem alteingesessenen Angelsportladen, der jede Woche ein Bild desjenigen im Fenster ausstellt, der aktuell in den Gewässern der Stockholmer Innenstadt den größten Lachs gefangen hat.
Das Telefon klingelt. Es ist Claudia Fernandez. Joona stellt sich in den schmalen Schatten der Hauswand und meldet sich.
»Sie haben gesagt, dass ich Sie anrufen kann«, sagt Claudia Fernandez mit schwacher Stimme.
»Selbstverständlich.«
»Mir ist klar, dass Sie das allen sagen, aber ich dachte … Meine Tochter, Penelope... Ich meine … Ich muss erfahren, wenn Sie etwas finden, auch wenn sie …«
Claudia Fernandez’ Stimme verschwindet.
»Hallo? Frau Fernandez?«
»Ja, entschuldigen Sie bitte«, flüstert sie.
»Ich bin Kommissar, und ich versuche herauszufinden, ob den Ereignissen ein Verbrechen zugrunde liegt. Der Seenotrettungsdienst sucht nach Penelope.«
»Wann werden diese Leute sie finden?«
»In der Regel fängt man damit an, das Gebiet mit Hubschraubern abzusuchen und gleichzeitig eine Suchaktion zu organisieren. Aber das dauert nun mal ein bisschen länger. Deshalb fängt man mit den Hubschraubern an.«
Joona hört, dass Claudia Fernandez ihre Tränen zu verbergen sucht.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich … Ich muss einfach wissen, ob ich etwas tun kann, ob ich mit ihren Freunden sprechen soll.«
»Am besten bleiben Sie zu Hause«, erklärt Joona. »Penelope versucht möglicherweise, sich bei Ihnen zu melden, und dann …«
»Sie wird mich nicht anrufen«, unterbricht die Frau ihn.
»Ich denke schon, dass …«
»Ich bin immer viel zu streng mit Penny gewesen, ich werde so schnell wütend auf sie, ich weiß nicht warum, ich … Ich will sie nicht verlieren, ich kann Penelope nicht verlieren, ich …«