"Er ist ein Studienobjekt, Ehrenwerter", erklärte Ingenescu dem Novianer. "Für mich ist er wertvoll, deshalb versuche ich ihn bei guter Laune zu halten."
"In welcher Beziehung ist er wertvoll?"
"Das ist schwer zu erklären; es hängt mit meinem Beruf zusammen."
Der Novianer lachte kurz. "Schön, jeder auf seine eigene Weise." Er wandte sich an die Personen, die hinter ihm zu stehen schienen, obwohl sie im Augenblick nicht sichtbar waren. "Hier ist Ingenescus Protegé, ein junger Mann, der uns erklären will, wie man ein Erziehungssystem ohne Bänder aufbaut." Er ließ sich ein neues Glas geben und wandte sich wieder an George. "Nun, junger Freund?"
Auf dem Bildschirm waren nun mehrere Männer und Frauen sichtbar. Ihre Gesichter ließen erkennen, daß sie sich von der Unterhaltung mit George einen guten Spaß erhofften.
George versuchte zuversichtlich zu wirken, obwohl er genau wußte, daß er ein schlechter Schauspieler war. Ingenescu saß wieder in seinem Sessel und beobachtete ihn von dort aus.
Dummköpfe, dachte George, alles Dummköpfe. Aber sie würden verstehen, was er zu sagen hatte. Er würde sie dazu
Er sagte: "Ich habe heute nachmittag den Wettkampf für Metallurgen gesehen."
"Sie auch?" fragte der Novianer amüsiert. "Offensichtlich war die ganze Erde dort versammelt."
"Nein, Ehrenwerter, aber ich war dort. Ein Freund von mir nahm daran teil und schnitt sehr schlecht ab, weil diesmal Beeman-Geräte verwendet wurden. Seine Erziehung umfaßte nur Henslers, offenbar ein älteres Modell. Sie selbst sagten vorher, daß die Veränderung geringfügig sei." George hielt Daumen und Zeigefinger hoch und ahmte bewußt die Geste des Novianers nach. "Und mein Freund hatte schon einige Zeit vorher erfahren, daß die eingehende Kenntnis der Beeman-Geräte erforderlich sein würde."
"Und was bedeutet das?"
"Mein Freund hatte seit frühester Jugend von einer Auswanderung nach Novia geträumt. Er kannte die Hensler-Geräte. Vermutlich hätte er innerhalb kürzester Zeit auch die heute verwendeten Apparate bedienen können, wenn er zusätzliche Informationen zur Verfügung gehabt hätte. Da sein Ehrgeiz zudem..."
"Und wo hätte er sich ein Band mit den zusätzlichen Informationen beschaffen sollen? Oder kann man sich auf der Erde jetzt schon durch Fernlehrgänge erziehen lassen?"
Die Gestalten im Hintergrund lachten pflichtbewußt.
"Eben aus diesem Grund hat er nichts gelernt, Ehrenwerter", fuhr George unbeirrt fort. "Er bildete sich nämlich ein, er brauche dazu unbedingt ein Band. Ohne dieses mechanische Hilfsmittel wollte er nicht einmal den Versuch dazu unternehmen, obwohl der Preis wirklich verlockend genug war."
"Nicht einmal versuchen wollte er es? Vermutlich gehört er also zu der Sorte Menschen, die nicht ohne Flugzeug fliegen wollen." Als das Gelächter sich wieder gelegt hatte, fuhr der Novianer fort: "Sprechen Sie ruhig weiter, junger Mann. Wir wollen Ihnen gern noch ein paar Minuten lang zuhören."
"Ich meine es bitter ernst", beteuerte George. "Bänder sind wirklich nicht so gut, wie die meisten Menschen annehmen. Auf diese Weise lernt man eigentlich zu viel und zu mühelos. Ein Mann, der sie benützt, weiß gar nicht, daß es auch andere Lernmethoden gibt.
Wenn nun alle selbst lernen müßten, würden sie sich daran gewöhnen und später nie damit aufhören. Ist das nicht nur logisch? Im Lauf der Zeit ist es vielleicht ratsam, das Gelernte durch Bänder zu vertiefen, aber im Prinzip kann man ohne sie auskommen. Auf diese Weise könnten sie Ihre Hensler-Metallurgen auf Beeman-Geräte umschulen, ohne auf der Erde neue anwerben zu müssen."
Der Novianer nickte und nahm einen Schluck aus seinem Glas.
"Und woher nimmt man diese Kenntnisse ohne Erziehungsbänder? Aus dem interstellaren Vakuum?"
"Aus Büchern. Indem man die Geräte und ihre Funktion studiert. Indem man
"Bücher? Wie versteht man Bücher, ohne dazu erzogen zu sein?"
"Bücher bestehen aus Wörtern. Die meisten Wörter sind ohne weiteres verständlich. Spezialausdrücke können von den Technikern erläutert werden, die Sie bereits früher angeworben haben."
"Und wie sollen die Leute lesen lernen? Wollen Sie auch den Gebrauch von Lesebändern verbieten?"
"Lesebänder sind nicht schlecht, aber im Grunde genommen ist nicht einzusehen, weshalb man nicht auch hier die alte Methode anwenden sollte. Zumindest teilweise."
Der Novianer sagte: "Damit man sich nicht gleich von Anfang an schlechte Gewohnheiten zulegt?"
"Ja, ganz richtig", bestätigte George hoffnungsvoll. Endlich schien der andere ihn zu verstehen.
"Und wie steht es mit Mathematik?"
"Das ist leichter als alles andere, Sir... Ehrenwerter. Mathematik unterscheidet sich von allen übrigen Wissensgebieten dadurch, daß sie mit einfachsten Grundbegriffen beginnt, auf die sich alles andere logisch aufbaut. Man kann von vorn beginnen und einfach weiterlernen. Wenn man erst einmal genügend Mathematik beherrscht, bieten technische Bücher keine große Schwierigkeit mehr. Schließlich kann man mit einfacheren anfangen."
"Gibt es einfache Bücher?"