Ich überreichte ihm eine Goldmünze. »Ich denke, weniger ehrliche Menschen würden das ganze Geld unterschlagen oder einfach damit verschwinden. Ein Royal ist eine angemessene Belohnung für unsere Ehrlichkeit.« Ich warf Marten und Hespe je eine Münze zu.
»Außerdem«, fügte ich hinzu und gab auch Tempi eine, »lautete mein Auftrag, die Banditen zu finden, nicht ein befestigtes Lager zu stürmen.« Ich hielt meinen Royal hoch. »Das ist unser zusätzlicher Lohn für Dienste, zu denen wir nicht verpflichtet waren.« Ich steckte die Münze in die Tasche und klopfte darauf. »Alveron braucht davon nicht zu erfahren.«
Dedan lachte und schlug mir auf den Rücken. »Du bist doch nicht so viel anders als wir.«
Ich lachte ebenfalls und drückte den Deckel der Kassette wieder zu. Das Schloss rastete mit einem Klicken ein.
Meine Großzügigkeit hatte noch zwei weitere Gründe, die ich allerdings verschwieg. Zum einen erkaufte ich mir damit die Loyalität meiner Gefährten. Denn natürlich mussten sie auf den Gedanken kommen, dass sie die Kassette ganz leicht klauen und damit verschwinden konnten. Auch ich hatte das kurz überlegt. Mit fünfhundert Talenten konnte ich zehn Jahre lang an der Universität studieren und hatte noch einiges übrig.
Jetzt dagegen waren sie um einiges Geld reicher und hatten trotzdem das Gefühl, ehrlich gehandelt zu haben. Die Goldmünze in ihrer Tasche würde sie von dem Gold ablenken, das ich bei mir trug. Dennoch nahm ich mir vor die verschlossene Kassette nachts unter mein Kopfkissen zu schieben.
Zweitens konnte auch ich das Geld gut gebrauchen. Den Royal, den ich ganz offen eingesteckt, und auch drei weitere Royals, die ich beim Verteilen des Geldes heimlich für mich abgezweigt hatte. Wie gesagt, Alveron würde den Unterschied nicht bemerken und mit vier Royals konnte ich an der Universität die Studiengebühren für ein ganzes Trimester bezahlen.
Ich steckte die Kassette des Maer zuunterst in meinen Reisesack. Dann überlegten wir, was wir von der Ausrüstung der Banditen mitnehmen wollten.
Die Zelte ließen wir aus demselben Grund zurück, aus dem wir keine eigenen mitgebracht hatten: Sie waren zu sperrig zum Tragen. Dagegen packten wir so viel Proviant ein, wie wir befördern konnten. Je mehr wir hatten, desto weniger mussten wir unterwegs kaufen.
Ich beschloss, auch ein Schwert mitzunehmen. Zwar hätte ich mir nie eins gekauft, da ich nicht damit umgehen konnte, aber wenn es eins umsonst gab …
Tempi beriet mich bei der Auswahl aus dem Arsenal der Banditen. Zunächst engten wir die Wahl auf zwei Schwerter ein. Dann fragte er unvermittelt: »Du kannst nicht mit einem Schwert umgehen?« Mit einem Handzeichen bedeutete er mir, dass ihm die Frage ein wenig unangenehm war.
Die Vorstellung, jemand könne nicht mit einem Schwert umgehen, war für ihn offenbar nicht nur peinlich, sondern ähnlich abwegig wie der Gedanke, jemand könne nicht mit Messer und Gabel essen. »Nein«, antwortete ich zögernd. »Aber ich hatte gehofft, du könntest es mir zeigen.«
Tempi erstarrte. Wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte, hätte ich es als Weigerung verstanden. Aber seine Bewegungslosigkeit bedeutete nur, dass er nachdachte.
Pausen sind in Gesprächen auf Ademisch von entscheidender Bedeutung, deshalb wartete ich geduldig. Stumm standen wir nebeneinander, erst eine, dann zwei Minuten, dann fünf, dann zehn … Zuletzt musste ich mich zwingen, weiter nur dazustehen. Vielleicht bedeutete Tempis Schweigen in diesem Fall doch eine höfliche Ablehnung.
Ich hielt mich ja für so schrecklich klug. Ich kannte Tempi jetzt seit fast einem Monat und hatte rund tausend Wörter und fünfzig Handzeichen des Ademischen gelernt. Außerdem wusste ich, dass die Adem nichts Anstößiges an Nacktheit oder gegenseitigen Berührungen fanden, und drang ganz langsam in die Geheimnisse des Lethani ein.
Oh ja, ich hielt mich für sehr schlau. Hätte ich wirklich etwas über die Adem gewusst, ich hätte nie gewagt, eine solche Bitte an Tempi zu richten.
»Bringst du mir dafür das bei?« Er zeigte auf meinen Lautenkasten, der an einem Baum lehnte.
Die Frage traf mich unvorbereitet. Ich hatte noch nie jemanden im Lautenspiel unterrichtet. Vielleicht wusste Tempi das ja und gab mir dadurch zu verstehen, dass es ihm mit dem Schwertunterricht ähnlich ging. Ich wusste, dass er gerne versteckte Andeutungen machte.
Aber was er wollte, war nur recht und billig. Ich nickte. »Versuchen kann ich es.«
Tempi nickte ebenfalls und zeigte auf eins der beiden Schwerter, die wir in die engere Wahl gezogen hatten. »Nimm das. Aber kämpfe nicht damit.« Er wandte sich ab und ging. Damals schrieb ich das seinem wortkargen Wesen zu.
Wir durchsuchten das Lager den ganzen Tag lang nach brauchbaren Dingen. Marten sammelte mehrere Pfeile ein und alle Bogensehnen, die er finden konnte. Außerdem nahm er noch vier vom Blitz nicht beschädigte Langbögen mit, nachdem er uns zuvor gefragt hatte, ob wir sie wollten. Sie waren sperrig, doch hoffte er sie in Crosson für gutes Geld zu verkaufen.