Felurian schüttelte langsam den Kopf. »der Cthaeh lügt nicht. er hat die gabe zu sehen, sagt aber nur dinge, um andere zu verletzen. nur ein dennerling würde freiwillig mit dem Cthaeh sprechen.« Sie legte mir eine Hand an den Hals, um ihre Worte abzumildern.
Ich nickte, weil ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Dann begann ich zu weinen.
Kapitel 105
Kvothe ließ den Chronisten mit einer Handbewegung innehalten. »Geht’s dir nicht gut, Bast?«, fragte er und sah seinen Schüler besorgt an. »Du siehst aus, als hättest du einen Eisenklumpen verschluckt.«
Bast sah tatsächlich angeschlagen aus. Sein Gesicht war beinahe wachsbleich, und seine sonst meist so fröhliche Miene war einem entgeisterten Ausdruck gewichen. »Reshi«, sagte er, mit einer Stimme so trocken wie raschelndes Herbstlaub. »Du hast mir nie erzählt, dass du mit dem Cthaeh gesprochen hast.«
»Ich hab dir vieles nie erzählt, Bast«, erwiderte Kvothe leichthin. »Deshalb findest du die schäbigen Einzelheiten meiner Lebensgeschichte ja so spannend.«
Bast antwortete mit einem matten Lächeln und ließ erleichtert die Schultern hängen. »Dann stimmt das also gar nicht? Dass du mit ihm gesprochen hast, meine ich? Du hast das nur dazuerfunden, um der ganzen Sache ein bisschen mehr Würze zu verleihen?«
»Also bitte, Bast«, sagte Kvothe, offensichtlich gekränkt. »Meine Geschichte hat auch so genug Würze. Da muss ich nichts dazuerfinden.«
»Lüg mich nicht an!«, schrie Bast unvermittelt und erhob sich halb von seinem Stuhl. »Lüg mich nicht an! Wage es nicht!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass sein Krug umkippte und das Tintenfass des Chronisten über die Tischplatte schlitterte.
Blitzschnell riss der Chronist das halb beschriebene Blatt fort, stieß sich mit den Füßen vom Tisch ab und rettete so das Papier vor der plötzlichen Gischt aus Tinte und Bier.
Bast beugte sich vor, das Gesicht hochrot, und fuchtelte in Kvothes Richtung mit dem Zeigefinger. »Es interessiert mich nicht, was für Flachs du sonst hier zu Gold spinnst! Aber in dieser Sache lügst du mich nicht an, Reshi! Nicht mich!«
Kvothe wies auf den Chronisten, der immer noch dort saß und das gerettete Blatt mit beiden Händen emporhielt. »Bast«, sagte er. »Das hier ist meine Chance, meine Lebensgeschichte vollständig und aufrichtig zu erzählen. Alles, was …«
Bast kniff die Augen zu und schlug auf den Tisch, wie ein von einem Trotzanfall gepackter kleiner Junge. »Sei still. Sei still!
Er zeigte auf den Chronisten. »Es ist mir scheißegal, was du ihm erzählst, Reshi. Er schreibt sowieso nur, was ich ihm gestatte, sonst fresse ich auf dem Marktplatz sein Herz!« Er richtete den Zeigefinger wieder auf den Wirt und fuchtelte fuchsteufelswild. »Aber
Kvothe sah seinen Schüler an, und alle Belustigung war aus seinem Gesicht gewichen. »Bast, wir wissen beide, dass ich mir für kleinere Ausschmückungen hier und da nicht zu schade bin. Aber mit dieser Geschichte ist es etwas anderes. Das hier ist meine Chance, die Wahrheit über all diese Dinge niederschreiben zu lassen. Hier geht es um die Wahrheit hinter all den Geschichten.«
Der junge Mann beugte sich auf seinem Stuhl vor und hielt sich mit einer Hand die Augen zu.
Kvothe sah ihn besorgt an. »Alles in Ordnung mit dir?«
Bast schüttelte den Kopf und hielt sich weiter die Augen zu.
»Bast«, sagte Kvothe in sanftem Ton. »Du blutest an der Hand.« Er wartete einen Moment lang ab und fragte dann: »Bast, was ist denn los?«
»Das ist es ja gerade!«, platzte Bast hervor und riss die Arme auseinander. Er klang geradezu hysterisch. »Ich glaube, ich habe endlich verstanden, was los ist!«
Dann lachte er übertrieben laut, doch das Gelächter endete abrupt mit einem Schluchzer. Mit glänzenden Augen sah er zur Decke des Schankraums empor. Dabei blinzelte er, als hielte er Tränen zurück.
Kvothe beugte sich vor und legte dem jungen Mann eine Hand auf die Schulter. »Bast, bitte …«
»Es ist nur … du weißt doch so vieles«, sagte Bast. »Du weißt alle möglichen Dinge, die du eigentlich gar nicht wissen dürftest. Du weißt von der Berentaltha. Du weißt von den weißen Schwestern und dem Weg des Lachens. Wie kann es da angehen, dass du über den Cthaeh nicht Bescheid weißt? Das … das ist ein Ungeheuer.«
Kvothe entspannte sich sichtlich. »Meine Güte, Bast, ist das alles? Du hattest mir schon richtig Angst gemacht. Also, ich bin schon weitaus Schlimmerem entgegengetreten als –«
»Es gibt nichts Schlimmeres als den Cthaeh!«, schrie Bast und schlug mit der Faust auf den Tisch. Diesmal hörte man das Holz splittern. »Reshi, sei still und hör mir zu. Hör mir genau zu.« Bast senkte kurz den Blick und wählte seine Worte mit Bedacht. »Du weißt, wer die Sithe sind?«
Kvothe zuckte die Achseln. »Eine Gruppe innerhalb der Fae. Mächtig, gutmütig –«