Читаем Wie der Soldat das Grammofon repariert полностью

In einem Hof zwischen Wolkenkratzern an der Peripherie von Sarajevo schnurrt mir eine Katze mit aufgerichtetem Schwanz um die Beine. Mit dem Rücken zu mir macht sich ein junger Mann bereit. Er zieht die Jacke aus. Er dehnt sich. Es dauert, er ist nicht der schnellste. Ein Ball liegt neben ihm. Die Katze sieht mich an. Die Katze leckt ihre Pfote. Der Mann wirft den Ball in die Luft. Der Ball landet auf seiner Stirn. Und landet auf seiner Stirn. Und landet auf seiner Stirn, vier, fünf, er hat die Arme angewickelt und zieht jedes Mal, sieben, acht, den Kopf ein, wenn der Ball landet, elf, zwölf. Ein großer, kahl geschorener, bosnischer Kopf boxt, dreizehn, den Ball in die Höhe, lässt ihn, vierzehn, auf dem flachen Hinterkopf kurz zu Atem kommen, fünfzehn, sechzehn, im Nacken eine Narbe. Neunzehn, zwanzig wiederkehrende Bewegungen des Oberkörpers, dreiundzwanzig, vierundzwanzig Aufsetzer, die Katze miaut, die Krücken des Mannes schleifen über den Beton, der Muezzin beginnt bei dreißig, einunddreißig zu singen. Minimal bewegt der Mann den Oberkörper, bevor er den Ball annimmt, fünfunddreißig, sechsunddreißig, das Gesicht brauche ich nicht zu sehen, um zu wissen, dass ich ihn gefunden habe, achtunddreißig, neununddreißig, die Krücken schaben über den Asphalt, vierundvierzig, fünfundvierzig. Wäre ich Fähigkeitenzauberer gewesen, hätte ich dem Sommertag, als Edin und ich auf ihn wartend auf dem Schulhof schwitzten und der Schweiß auf den Asphalt fiel und der Asphalt in der Sonne schmolz, ich hätte dem Tag die Fähigkeit genommen, vorbeizugehen, siebenundvierzig, achtundvierzig, und dem Mädchen auf dem Fahrrad hätte ich das Gleichgewicht einer Zirkusakrobatin gegeben. Kiko auf Krücken, Kiko im weißen Hemd und Jeans, am linken Bein unter dem Stumpf zusammengebunden, Kiko – die Neun, Kiko der Eisenschädel von der weichen Drina, fünfzig, einundfünfzig …

In Kikos kleiner Wohnung im vierzehnten Stock trinken wir Kaffee, den uns seine Frau Hanifa auf geblümten Untertassen serviert. Keine gehäkelten Tischdeckchen, kein buntes Sofa vor dem Fernseher, kein Fernseher, keine laut tickende Uhr zu hören, wenn geschwiegen wird. Eine schlicht eingerichtete, helle Wohnung mit Parkettboden und Möbeln aus Kirschholz.

Ja, sagt Kiko, mein letztes Spiel als Profi. Ich habe gesagt, ich schieße drei Stück, alle mit meinem Linken. Der Typ hat den vierten reingelassen, damit er die Wette gewinnt, dabei wollte ich nur flanken. Habe ich ihm also noch drei reingezimmert. Die sind anschließend auf einen Abstiegsplatz gerutscht. Aber abgestiegen ist in dem Jahr keiner. Das Land ist abgestiegen. Fußball war egal.

Dann brach der Krieg aus, und Hanifa floh nach Österreich und studierte Design.

Dann brach der Krieg aus und der Torwart, gegen den Kiko gewettet hatte, saß in der türkischen zweiten Liga auf der Bank. Er wurde einmal eingewechselt, als sich die Nummer Eins verletzte, und hielt in der Nachspielzeit einen Elfmeter.

Dann brach der Krieg aus und ein sehr populärer Volkssänger gab ein Konzert für die Soldaten, die Verwundeten und die Politiker. Man verlangte Eintritt, und die Verwundeten sagten später, das sei ein Scheißkonzert gewesen: nachdem sie den Eintritt bezahlt hätten, sei vom Geld nichts für das Bier übrig geblieben, und von den Politikern ließen sie sich bestimmt nicht einladen.

Kikos Sohn Milan setzt sich zu mir und zeigt mir einen sehr großen Popel. Hastdu Schokolade?, fragt er.

Gehst du in den Kindergarten?, frage ich ihn.

Hanifa war die Erste, die ich in Sarajevo angesprochen habe, und die Erste überhaupt, die ich geküsst habe, sagt Kiko und geht nach nebenan, Fotos von dem Kuss holen.

Ich werde auch die Letzte sein, verstanden?, ruft sie ihm hinterher.

Nicht, wenn uns das nächste eine Tochter wird!, antwortet Kiko und bringt die Fotoalben. Ich habe mich freiwillig gemeldet. Dachte, ich könnte es so hinbiegen, dass ich in der Stadt bleibe. Zwei Jahre gings gut. Dann wurde ich auf den Igman geschickt. Man hat uns gesagt: vom Igman hängt das Schicksal Sarajevos ab. Den Ball hatte ich immer dabei. Immer.

Hastdu Bombons?

Kiko legt das Album vor mir auf den Tisch und geht neben Hanifa in eine Art Hocke, was mit einem Bein grotesk aussieht – ich denke wirklich: grotesk, obwohl ich gleichzeitig denke, so einen Gedanken nicht zulassen zu dürfen.

Dann brach der Krieg aus und niemand nannte ihn Krieg. Das, sagte man. Oder Scheiße. Oder Gleichvorbei, als würde man einem Kind den Anblick einer Spritze erleichtern wollen. Zu Hanifa sagte Kiko: geh du, und sie sagte: ich komme zurück, wenn das vorbei ist. Hoffentlich ist die Scheiße gleich vorbei, dachte sich Kiko und wurde auf den Igman beordert.

Da oben war ich also, in der schlimmsten Vukojebina, die man sich vorstellen kann. Kiko zeigt mir im Fotoalbum die schöne Hanifa auf dem Rücksitz eines Mofas. Vorne sitzt er selbst, ohne Helm. Das war im Herbst einundneunzig, sagt er. Mein Mofa! Mein Glück!

Er blättert um. Milan quengelt, reibt sich die Augen.

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