»Mir ist eingefallen, dass sie in eine andere Wohnung verlegt werden soll, und als ich zuschlagen wollte, kam mir im selben Moment eine Idee. Ich habe abgebremst, weil ich dich ja schlecht k .o. schlagen kann, wenn wir reden wollen.«
»Dann rede«, sagt er.
»Mir ist klar geworden, dass Penelope für den Killer ein Köder ist, ob wir es wollen oder nicht, sie wird ihn anlocken.«
Joona lächelt nicht mehr, nickt nur nachdenklich.
»Weiter.«
»Wir wissen nicht genau, ob er unseren Funkverkehr abhören kann, ob er alles hört, was über RAKEL gesagt wird … aber angesichts der Tatsache, dass er Penelope auf Kymmendö gefunden hat, liegt die Vermutung nahe.«
»Ja.«
»Er wird sie irgendwie finden, davon bin ich fest überzeugt. Und es ist ihm egal, dass sie unter Polizeischutz steht. Wir werden alles tun, um ihren Aufenthaltsort geheimzuhalten, aber, verdammt, es ist schlichtweg unmöglich, sie ohne Funkverkehr zu schützen.«
»Er wird sie finden«, bestätigt Joona.
»Ich habe mir Folgendes überlegt … Penelope wird so oder so zum Köder, bleibt die Frage, ob wir vorbereitet sein werden, wenn er kommt, oder ob wir es nicht sind. Wir werden sie natürlich wie geplant beschützen, aber wenn wir gleichzeitig die Fahndung darauf ansetzen, den Ort zu überwachen, könnten wir den Killer vielleicht fassen.«
»Das ist absolut richtig … du hast vollkommen recht«, sagt Joona.
Spende Boerse
76
Carlos, Saga und Joona gehen eilig den langen Korridor hinab, der zu den Räumen des Staatsschutzes führt. Verner Zandén sitzt bereits auf einer weichen Couch und erwartet sie. Ohne Zeit mit einer Begrüßung zu verschwenden, ergreift er das Wort, sobald die anderen die Tür hinter sich geschlossen haben.
»Klara Olofsdotter von der Generalstaatsanwaltschaft ist eingeschaltet worden … Es ist ein großer Einsatz für die Landeskriminalpolizei und den Staatsschutz, aber wen zum Teufel versuchen wir eigentlich zu schnappen?«
»Wir wissen leider ausgesprochen wenig«, antwortet Saga. »Wir wissen nicht einmal, ob er allein arbeitet, es könnten einer oder mehrere Profis aus Belgien oder Brasilien sein oder ehemalige Experten des KGB oder eines anderen Geheimdienstes aus dem früheren Ostblock.«
»Es ist im Grunde nicht besonders schwer, unseren Funkverkehr abzuhören«, sagt Carlos.
»Der Killer weiß natürlich, dass Penelope Fernandez bewacht wird und es schwer sein könnte, zu ihr vorzudringen«, sagt Joona. »Aber manchmal müssen nun einmal Türen geöffnet werden, Leibwächter müssen abgelöst werden, und Essen wird angeliefert, sie will ihre Mutter sehen, einen Psychologen, sie soll den Fallanalytiker Niklas Dent treffen und …«
Er verstummt, als sein Handy klingelt, wirft einen kurzen Blick auf die Nummer im Display und drückt das Gespräch fort.
»Unsere oberste Priorität lautet selbstverständlich, Penelope Fernandez zu schützen«, erklärt Saga. »Aber indem wir das tun, bietet sich uns gleichzeitig die Möglichkeit, den Mann zu fassen, der mehrere unserer Kollegen auf dem Gewissen hat.«
»Ich muss euch wahrscheinlich nicht daran erinnern, dass er gefährlich ist«, sagt Joona. »Keiner von uns wird jemals einem gefährlicheren Menschen begegnen.«
*
Die sichere Wohnung liegt in der Storgatan 1 mit Fenster zur Sibyllegatan und Aussicht auf den Platz Östermalmstorg. Gegenüber gibt es keine Wohnungen, das nächstgelegene Haus auf der anderen Straßenseite steht mehr als hundert Meter entfernt.
Als die Ärztin Daniella Richards Penelope Fernandez behutsam von dem bleigrauen Polizeibus zum Gebäude führt, hält Saga Bauer ihnen die stählerne Eingangstür auf.
»Es ist die sicherste überirdische Wohnung in ganz Stockholm«, erläutert Saga.
Penelope reagiert nicht auf ihre Worte. Sie begleitet Daniella Richards zum Aufzug. Überall im Eingangsbereich und im Treppenhaus hängen Überwachungskameras.
»Wir haben Bewegungsmelder installiert, ein sehr professionelles Alarmsystem und zwei verschlüsselte Direktverbindungen zur Einsatzzentrale«, fährt Saga fort, während sie hochfahren.
In der dritten Etage wird Penelope durch eine robuste Sicherheitstür zu einer Schleuse geführt, an der eine uniformierte Polizistin sitzt. Sie öffnet eine weitere Sicherheitstür und lässt die Frauen in die Wohnung.
»Die Räume haben eine große Feuersicherheit, sie verfügen über eine eigene Stromversorgung und ein eigenes Belüftungssystem«, erläutert Saga.
»Hier sind Sie sicher«, ergänzt Daniella Richards.
Penelope hebt den Blick und sieht die Ärztin mit leeren Augen an.
»Danke«, sagt sie kaum hörbar.
»Wenn Sie es wünschen, bleibe ich bei Ihnen.«
Penelope schüttelt den Kopf, und Daniella verlässt gemeinsam mit Saga die Wohnung. Penelope verriegelt die Tür und stellt sich anschließend an eines der schusssicheren Fenster mit Aussicht auf den Östermalmstorg. Eine Folie auf dem Glas macht das Fenster von außen undurchsichtig. Sie schaut hinaus und denkt, dass manche der Menschen, die sich unten auf dem Platz bewegen, vermutlich getarnte Polizisten sind.
Vorsichtig berührt sie das Fenster. Von außen dringt kein Laut herein.