Читаем Paganinis Fluch полностью

Greta Stiernlood war die Tochter eines Industriellen, der Großaktionär bei Saab Scania, der Enskilda Banken und anderen Unternehmen war. Greta war alleine bei ihrem Vater aufgewachsen – ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie noch sehr klein war, und sie hatte ihre Mutter seither nie wieder gesehen. Sehr früh – vielleicht schon vor ihrer Geburt – hatte ihr Vater beschlossen, dass sie Geigerin werden sollte.

Als sie Axels Musikzimmer betraten, ging Greta zum Flügel. Die glänzenden lockigen Haare fielen offen auf ihre Schultern herab. Sie trug eine weiße Bluse und einen Rock im Schottenmuster, einen dunkelblauen Pullunder und eine gestreifte Strumpfhose.

Sie packte ihre Geige aus, befestigte die Kinnstütze, strich mit einem Baumwolllappen das Harz fort, das auf den Saiten haftete, spannte den Bogen und platzierte die Noten auf dem Ständer. Rasch überprüfte sie, dass die Geige sich durch die Kälte und die Feuchtigkeitsunterschiede nicht verstimmt hatte.

Dann begann sie zu üben. Sie spielte wie immer mit halb geschlossenen Augen und in sich gekehrtem Blick. Ihre langen Wimpern warfen zitternde Schatten auf ihr errötendes Gesicht. Das Stück war Axel vertraut: die erste Stimme aus Beethovens fünfzehntem Streichquartett. Ein ernstes und suchendes Thema.

Er lauschte, lächelte und dachte, dass Greta ein Gespür für Musik hatte, eine Ehrlichkeit in ihren Interpretationen, die seinen Respekt weckte.

»Schön«, sagte er, als sie aufhörte.

Sie tauschte die Noten aus und pustete auf ihre wunden Finger.

»Aber ich kann mich nicht entscheiden … weißt du, Vater wollte von mir wissen, was ich spielen will, er sagt, dass ich Tartini spielen soll, die Violinsonate in G-Moll.«

Sie verstummte, sah auf die Noten, folgte ihnen mit den Augen, zählte Sechzehntel und verinnerlichte komplizierte Legato-Stellen.

»Aber ich bin mir nicht sicher, ich …«

»Darf ich es hören?«, fragte Axel.

»Es klingt furchtbar«, erwiderte sie und errötete.

Sie spielte mit angespanntem Gesicht den letzten Satz. Das Stück war schön und traurig, aber gegen Ende, wo die höchsten Töne der Geige emporschießen müssen wie ein loderndes Feuer, wurde sie langsamer.

»Mist«, flüsterte sie und nahm die Geige in Ruheposition unter ihren Arm. »Ich bin nicht mehr mitgekommen, ich habe wirklich gerackert wie eine Blöde, aber ich muss noch mehr Wert auf die Sechzehntel und die Triolen legen, die …«

»Also mir hat dieses Schwanken gefallen, als würdest du einen großen Spiegel biegen, sodass …«

»Ich habe falsch gespielt«, unterbrach sie ihn und errötete noch heftiger. »Entschuldige, ich weiß, du versuchst nur, nett zu sein, aber so geht das nicht, ich muss richtig spielen. Es ist doch verrückt, dass ich hier am Vorabend sitze und mich nicht entscheiden kann, ob ich das leichte nehmen oder auf das schwere Stück setzen soll.«

»Du kannst doch beide, also …«

»Nein, kann ich nicht, es wäre ein Wagnis«, entgegnete sie. »Aber gib mir ein paar Stunden, drei Stunden, dann traue ich mich vielleicht, morgen auf Tartini zu setzen.«

»Du kannst das doch nicht nur tun, weil dein Vater findet, dass …«

»Aber er hat ja recht.«

»Nein«, widersprach Axel und rollte langsam einen Joint.

»Ich kann das Leichtere«, fuhr sie fort, »aber das reicht möglicherweise nicht, es kommt ganz darauf an, für was ihr zwei, du und der japanische Junge, euch entscheidet.«

»So kann man nicht denken.«

»Wie soll man denn dann denken? Ich habe dich nicht ein einziges Mal üben sehen. Was wirst du spielen – hast du dich überhaupt schon entschieden?«

»Ravel«, antwortete er.

»Ravel? Ohne zu üben?«

Sie lachte.

»Im Ernst?«, fragte sie.

»Ravels ›Tzigane‹ – und nichts anderes.«

»Axel, entschuldige, aber das ist eine völlig irrsinnige Wahl, das weißt du, das Stück ist zu kompliziert, zu schnell, zu übermütig und …«

»Ich will es wie Perlman spielen, aber ohne Hast … denn eigentlich ist es gar nicht schnell.«

»Axel, es ist schrecklich schnell«, sagte sie und lächelte.

»Ja, für den Hasen, der gejagt wird … aber dem Wolf geht es zu langsam.«

Sie warf ihm einen müden Blick zu.

»Wo hast du denn das gelesen?«

»Das soll Paganini gesagt haben.«

»So so, dann muss ich mir also nur noch Sorgen wegen meines japanischen Kontrahenten machen«, erklärte sie und legte die Geige an die Schulter. »Du übst nicht, Axel, du kannst Ravels ›Tzigane‹ nicht spielen.«

»Es ist gar nicht so schwer, wie alle sagen«, sagte er und zündete seinen Joint an.

»Nein«, sagte sie lächelnd und begann wieder zu spielen.

Dann unterbrach sie ihr Spiel und sah ihn mit ernster Miene an.

»Du willst Ravel spielen?«

»Ja.«

Sie wurde ernst.

»Hast du mich angelogen? Übst du das Stück seit vier Jahren, oder was ist hier los?«

»Ich habe mich eben erst entschieden – als du gefragt hast.«

»Wie kannst du nur so dumm sein?«, sagte sie.

»Es ist mir egal, ob ich den letzten Platz belege«, sagte er und legte sich auf die Couch.

»Mir ist es nicht egal«, erwiderte sie.

»Ich weiß, aber es wird noch mehr Chancen geben.«

»Nicht für mich.«

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