In der unmittelbaren Vorbereitung der Revolution von 1848/49, die 1840 begonnen hatte, leitete der Aufstand der schlesischen Weber im Juni 1844 eine neue Etappe ein. Zum erstenmal in der Geschichte verflocht sich bereits am Vorabend einer bürgerlichen Revolution der Kampf für die bürgerlich-demokratische Umgestaltung direkt mit dem Klassenkampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie. Der Weberaufstand, die erste offene Auseinandersetzung des deutschen Proletariats mit der Bourgeoisie, verdeutlichte besonders überzeugend, warum die Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse möglich und notwendig geworden war.
Die «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» sind das erste Ergebnis eines Versuches, die ökonomischen Studien zu verallgemeinern und damit die weltgeschichtliche Rolle des Proletariats zu begründen. Sie entstanden wahrscheinlich zwischen Juni und Ende August 1844. Marx untersuchte erstmals die ökonomischen Existenzbedingungen der Arbeiterklasse, das Verhältnis von Kapital und Arbeit und die Bewegungsgesetze des Privateigentums. Daraus leitete er die Notwendigkeit der Aufhebung des Privateigentums ab. Die «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» enthalten eine Kritik der Hegelschen und kritische Bemerkungen zur junghegelschen Philosophie sowie eine Wertung der Auffassungen Feuerbachs. Sie sind eine direkte und indirekte Auswertung des utopischen Sozialismus und Kommunismus. Sie enthalten Darlegungen über die künftige Gesellschaft. In erster Linie sind sie jedoch eine Kritik der Nationalökonomie, die zu wichtigen Erkenntnissen der materialistischen Geschichtsauffassung und zu einer fruchtbaren Ausgangsbasis der ökonomischen Lehre von Marx führte.
Im vorliegenden Band werden die «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» in einer veränderten Textanordnung dargeboten. Um dem Reifegrad des Manuskripts und der komplizierten Überlieferungslage gerecht zu werden, wird der Text in zwei verschiedenen Anordnungen wiedergegeben (siehe Editorische Hinweise). Diese Edition stützt sich auf eine genaue Analyse der überlieferten Hefte und der von Marx erreichten Ausarbeitungsstufe. Sie ermöglicht es, die Entstehungsphasen, die Erkenntnisfortschritte innerhalb der Niederschrift, die chronologischen und logischen Zusammenhänge, die Beziehungen zu den Exzerptheften sowie die logische Struktur unter neuen Gesichtspunkten zu studieren. Die Neuentzifferung an Hand des Originals führte besonders bei der Wiedergabe der «Vorrede» zu wesentlichen Korrekturen an bisherigen Editionen. Vor allem der Teil Entstehung und Überlieferung bietet neue Erkenntnisse und Überlegungen über die Entstehungszeit, -umstände und -phasen, über die Chronologie der Exzerpte und vorliegender Arbeit sowie über Charakter und Zustand der Originalhandschrift (siehe S. 685 – 709).
Die drei überlieferten Hefte, die den Bestand der «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» ausmachen, widerspiegeln die ersten Ergebnisse und in der Reihenfolge der Hefte zugleich Fortschritte von Marx’ Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie. Dem Heft I ging die Beschäftigung mit der Sayschen Interpretation und Kommentierung der Lehre von Adam Smith sowie die Aneignung wichtiger Erkenntnisse von Smith voraus (MEGA2 IV/2. S. 301 – 327 und 332 – 386). Zwischen dem Heft I und dem Heft II liegen Exzerpte aus John Ramsay MacCulloch und aus Guillaume Prevost, der die Auffassungen der Schule Ricardos zusammenfaßte und kommentierte (MEGA2 IV/2. S. 473 – 484). Marx’ Hinweise auf andere Ökonomen belegen, daß er deren Schriften offensichtlich noch nicht umfassend studiert und exzerpiert hatte. Gedankengut dieser Ökonomen entnahm Marx wahrscheinlich aus Schriften zeitgenössischer Autoren, so u.a. aus der Arbeit von Eugène Buret.
Marx erfaßte unter dem Begriff «Nationalökonomie» die bürgerliche politische Ökonomie, deren Wesensmerkmale und deren Genesis er erklären wollte. Im Heft II und Heft III wird deutlich, wie er auch die Unterschiede zwischen den Ansichten von Smith und Ricardo auszuwerten begann, deren objektive Basis die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise vom Manufakturkapital zum industriellen Kapital war. Die Einschätzungen über Ricardo eignete sich Marx beim Studium von MacCulloch und Prevost an. Die Exzerpte aus Ricardo und Mill (MEGA2 IV/2. S. 392 – 470) sind offensichtlich erst nach der Niederschrift der «Ökonomisch-philosophischen Manuskripte» entstanden und widerspiegeln den Beginn einer neuen Ausarbeitungsstufe.
Marx würdigte bereits 1844, daß die bürgerliche politische Ökonomie wissenschaftliche Verdienste bei der Erforschung der kapitalistischen Produktionsweise erworben hat. Ihre wissenschaftlich wertvollen Elemente konnte er jedoch noch nicht als solche erkennen und aufnehmen. Er unterschied noch nicht zwischen den Vulgärökonomen und den Klassikern der bürgerlichen Ökonomie.