»Hör mir zu, Magier!« knurrte Tanis. »Wenn ich euch verraten hätte, warum war sie so entsetzt, euch zu sehen – ihre Brüder! Wenn ich euch verraten hätte, warum habe ich dann nicht einfach ein paar Drakonier zum Gasthaus geschickt, um euch zu holen? Das hätte ich jederzeit tun können. Ich hätte sie auch zu Berem schicken können.
»Erzähl mir nicht, daß du das nicht in Erwägung gezogen hast!« zischte Raistlin.
Tanis öffnete den Mund, schwieg dann aber. Er wußte, daß seine Schuld in seinem Gesicht genauso sichtbar war wie der Bart, den kein Elf haben konnte. Er würgte, dann legte er eine Hand über die Augen, um ihre Gesichter nicht zu sehen. »Ich… ich habe sie geliebt«, sagte er mit gebrochener Stimme. »All die Jahre. Ich habe mich geweigert, zu sehen, was sie war. Und selbst als ich es erkannte, konnte ich nicht anders. Du liebst«, seine Augen richteten sich auf Flußwind, »und du«, er wandte sich an Caramon. Das Schiff schlenkerte wieder. Tanis hielt sich am Schreibtisch fest, als das Deck unter seinen Füßen zu kippen schien. »Was hättet ihr getan? Fünf Jahre lang war sie in meinen Träumen!« Er hielt inne. Sie waren still. Caramons Gesicht war ungewöhnlich nachdenklich. Flußwinds Augen waren auf Goldmond gerichtet.
»Als sie gegangen war«, fuhr Tanis fort, seine Stimme klang weich und schmerzerfüllt, »lag ich in ihrem Bett und
Tanis schwieg und hob seinen Kopf. Noch beim Sprechen war ihm die veränderte Bewegung des Schiffes aufgefallen. Die anderen blickten sich auch um. Man mußte kein erfahrener Seemann sein, um zu bemerken, daß sie nicht länger wild herumschlingerten. Jetzt bewegten sie sich in einer weichen, nach vorn gerichteten Bewegung, einer irgendwie unheilvollen Bewegung, weil sie so unnatürlich war. Bevor sich jemand fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, zersplitterte ein Klopfen fast die Kabinentür.
»Maquesta sagt, ihr sollt hochkommen!« schrie Koraf heiser. Tanis warf seinen Freunden schnell einen Blick zu. Flußwinds Gesicht war düster; seine Augen trafen die des Halb-Elfen und hielten stand, aber in ihnen war kein Licht mehr. Der Barbar hatte lange Zeit allen mißtraut, die nicht menschlich waren. Erst nach Wochen gemeinsam erlebter Gefahren hatte er allmählich gelernt, Tanis wie einen Bruder zu lieben und ihm zu vertrauen. War das jetzt alles zerstört? Tanis hielt seinem Blick stand. Flußwind senkte seinen Blick, und ohne ein Wort zu sagen, wollte er an Tanis vorbeigehen, hielt dann aber inne.
»Du hast recht, mein Freund«, sagte er und sah zu Goldmond, die sich erhob. »Ich habe geliebt.« Dann wandte er sich abrupt um und ging aufs Deck.
Goldmond blickte Tanis stumm an, als sie ihrem Gatten folgte, und in ihrem Blick sah er Mitgefühl und Verständnis. Caramon zögerte, dann ging er an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen oder etwas zu sagen. Raistlin folgte schweigend, aber seine goldenen Augen blieben auf Tanis haften. Lag in diesen goldenen Augen ein Funken Schadenfreude? War Raistlin, von den anderen seit langem beargwöhnt, glücklich, zu guter Letzt Gesellschaft bekommen zu haben? Der Halb-Elf hatte keine Vorstellung, was der Magier dachte. Dann ging Tika an ihm vorbei und streichelte ihn am Arm. Sie wußte, was es hieß zu lieben…
Tanis stand einen Moment lang allein in der Kabine, verloren in seiner eigenen Dunkelheit. Dann folgte er seufzend seinen Freunden.
Sobald er auf Deck war, wurde Tanis klar, was geschehen war. Die anderen starrten über die Reling, die Gesichter bleich und angespannt. Maquesta schritt auf dem Vorderdeck auf und ab, schüttelte den Kopf und fluchte in ihrer Sprache. Als sie Tanis kommen hörte, sah sie auf, in ihren schwarzen Augen funkelte der Haß.
»Du hast uns vernichtet«, sagte sie giftig. »Du und dieser gottverfluchte Steuermann!«
Maquestas Worte schienen überflüssig, eine reine Wiederholung von Worten, die bereits in seinen eigenen Gedanken waren. Tanis fragte sich, ob sie überhaupt gesprochen hatte oder ob er sich selbst gehört hatte.
»Wir sind im Mahlstrom gefangen.«
4
»Mein Bruder…«
Die