Jandhis Gesicht verdunkelte sich vor Zorn. Sie hob die Hand, wie um Tally zu schlagen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern senkte den Arm wieder und seufzte abermals. »Vielleicht gab es wirklich keinen anderen Weg«, murmelte sie. »Aber du wirst erkennen, wie sehr du dich getäuscht hast, Tally. Und deine beiden Freunde dort auch.«
Sie wies mit einer Kopfbewegung auf Angella und Hrhon. Der Waga war zu weit entfernt, um ihre Worte zu hören, aber Angella hatte jede Silbe verstanden. Zu Tallys Überraschung schwieg sie jedoch.
»Was hast du mit ihnen vor?« fragte Tally.
Jandhi drehte sich sehr langsam herum und blickte erst Angella und dann den Waga nachdenklich an, ehe sie sich wieder an Tally wandte.
»Ich nehme an, du willst jetzt um ihr Leben bitten«, sagte sie abfällig.
»Und wenn?«
Jandhi lachte leise. Aber sie antwortete nicht auf Tallys Frage, sondern trat statt dessen einen Schritt zurück und hob die Hand.
In die schwarzgekleideten Kriegerinnen kam Bewegung. Vier von ihnen packten Hrhon und stießen ihn mit angelegten Waffen vor sich her; zwei andere ergriffen Angella unter den Achseln und zerrten sie grob auf einen der Drachen zu.
Jandhi machte eine einladende Handbewegung. »Darf ich dich einladen, auf meinem eigenen Tier zu reiten?« fragte sie spöttisch. »Diese Art zu reisen ist dir ja nicht fremd, oder? Ich glaube, du bist fliegen gewohnt.« Tally versuchte den Sarkasmus in ihren Worten zu ignorieren. »Hast du keine Angst, daß ich dich aus dem Sattel stoße?« fragte sie böse.
Jandhi lächelte. »Sicher nicht«, sagte sie. »Was hättest du schon davon? Du bist nicht hier, weil du
»Der Gedanke ist verlockend.«
»Das Risiko gehe ich ein«, antwortete Jandhi ruhig. »Es ist nicht sehr groß, weißt du? Ich kenne dich besser, als du ahnst.«
»So?«
Jandhi nickte. »Ich war einmal wie du, Talianna«, sagte sie. »Ein junges Mädchen voller Haß und Zorn, das sein eigenes Leben weggeworfen hätte, um die zu vernichten, die es zu hassen glaubte. Hast du dich für einmalig gehalten?« Sie lachte. »Es gibt viele wie dich – Männer und Frauen und Kinder, die uns den Tod schwören. Die meisten gehen zugrunde, ehe sie uns auch nur nahe kommen. Manchen gelingt es sogar, uns Schaden zuzufügen. Gewöhnlich töten wir sie.«
»Und sonst?« fragte Tally.
Jandhi lachte leise. »Manche nehmen wir in unsere Dienste«, sagte sie. »Wenn sie gut sind. Du bist gut. Und jetzt erspare mir und dir bitte große Worte wie
Begleitet von vier von Jandhis schwarzgekleideten Kriegerinnen bewegten sie sich auf den Drachen zu. Tally verspürte nun doch – wenn auch sehr schwache – Angst, aber es war keine Furcht vor der Kreatur selbst, sondern die instinktive Abneigung gegen alles Reptilische, Kalte, das wohl jeder Mensch in sich trug, die Millionen Jahre alte Furcht vor der anderen, großen Lebensform, die diese Welt lange vor dem Menschen beherrscht hatte, welche sie selbst in Hrhons Gegenwart vollkommen überwunden hatte.
Gleichzeitig – so absurd es war – kam ihr wieder zu Bewußtsein, wie schön der Drache war: ein Gigant, trotz seiner Größe elegant und leicht, von der Farbe der Nacht und schimmernd wie ein riesiger, schwarzer Diamant. Sie hatte einmal geglaubt, das Lodern in den Augen des Drachen wäre Bosheit, aber das stimmte nicht. Es war so wenig Bosheit, wie es Intelligenz war – während sie sich an Jandhis Seite auf die titanische Flugechse zubewegte, begriff sie, daß die Drachen nichts anderes als Tiere waren, ungeheuer große und ungeheuer starke Tiere, aber nicht mehr. Sie waren so wenig böse, wie es die Waffen in den Händen von Jandhis Kriegerinnen waren – nur Werkzeuge, mehr nicht.
Irgendwie beruhigte sie dieser Gedanke.
Fünfzig Schritte vor dem turmhohen Ungeheuer blieben sie stehen. Jandhi löste einen kleinen, kastenförmigen Gegenstand von ihrem Gürtel und drückte rasch hintereinander drei oder vier Tasten auf seiner Oberfläche; der Drache erwachte aus seiner Starre, stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus und senkte den Schädel. Dicht vor Jandhi berührte der gepanzerte Unterkiefer des Kolosses den Felsboden. Ein Auge starrte sie an, das größer war als Tallys Kopf.
Jandhi drehte sich zu ihr herum und wiederholte ihre auffordernde Geste. »Keine Angst«, sagte sie. »Er tut dir nichts. Er ist sanft wie ein Lamm' – solange ich es will.« Bei diesen Worten hob sie den kleinen Kasten in ihrer Hand. Ein Lächeln erschien auf ihren Zügen, das Tallys Verwirrung zu jähem Zorn werden ließ.
»Gibt es irgend etwas womit du