Читаем Die Töchter des Drachen полностью

»Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem du mich töten wolltest?» schlug Tally vor.

Angella lachte erneut, aber es klang nicht sehr amüsiert. »Wohl kaum.«

»Es tut mir leid, daß ich dich da mit hineingezogen habe«, sagte Tally unvermittelt. Im ersten Moment wußte sie selbst nicht, warum sie es tat – aber irgendwie erschien es ihr mit einem Male wichtig, Angella dies zu sagen. Und es war ehrlich gemeint.

»Hineingezogen ist wohl der richtige Ausdruck«, sagte Angella amüsiert. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber mach' dir nichts draus. Ich lebe noch, oder? Und ich habe mir schon lange einmal gewünscht hierherzukommen.«

»Du wirst nie wieder nach Schelfheim zurück können«, sagte Tally. »Selbst nicht, wenn wir das hier überleben sollten.«

»Das macht nichts«, erwiderte Angella. »Das Leben dort begann sowieso allmählich langweilig zu werden. Früher oder später hätte mich Jandhi wahrscheinlich erledigen lassen. Sie duldet niemanden in ihrer Stadt, der zu mächtig ist. Warum ist sie hinter dir her?«

Die Frage kam so schnell und in so beiläufigem Ton, daß Tally um ein Haar ganz automatisch geantwortet hätte.

»Das... ist eine lange Geschichte«, sagte sie ausweichend.

»Wir haben viel Zeit.«

Tally schwieg, und Angella besaß genug Gespür, die Frage kein zweites Mal zu stellen.

Sie versanken wieder in dumpfes Schweigen, das nur dann und wann unterbrochen wurde, wenn sich einer von ihnen bewegte. Sie alle sehnten den Tag herbei, aber als er dann kam, war er vor allem eine Enttäuschung.

Was Tally sah, war fremdartig und bizarr und erschreckend, aber es war nichts von alledem, was sie erwartet hatte. Es war im Grunde überhaupt nichts: ein verwaschenes Konglomerat blasser Farben und nur angedeuteter Umrisse, in das ein winziger Ausschnitt der Welt eingebettet war. Vielleicht, überlegte sie, war es mit dem Schlund wie mit vielen wirklichen großen Geheimnissen – sie verloren ihren Zauber, wenn man sie lüftete.

Die Dämmerung kam sehr schnell, aber sie nahm kein Ende, und kurz darauf begann es zu regnen: zwei Dinge, die Tally kannte, die aber hier unten, fünf Meilen näher an der Hölle, eine völlig neue Bedeutung bekamen. Die absolute Finsternis, in der Tally erwacht war, wich einem sonderbaren, graugrünen Halblicht, das nur Dinge genau erkennen ließ, die nicht mehr zwei oder drei Meter entfernt lagen. Alles Dahinterliegende war verschwommen, große finstere Umrisse mit halb aufgelösten Konturen, unwirklich und drohend zugleich. Und auch der Regen, der fast gleichzeitig mit dem Tag begann, war sonderbar: fein wie sprühender Nebel und so warm, daß Tally seine Berührung kaum spürte, ehe sie bis auf die Haut durchnäßt war. Zusammen mit dem unwirklichen graugrünen Licht gab er ihr das Gefühl, sich unter Wasser zu befinden.

Mit einer müden Bewegung strich sie sich eine Strähne ihres naß gewordenen Haares aus dem Gesicht, drehte sich halb herum und sah Karan an. Er hockte nur wenige Meter neben ihr, halb gegen den Stamm eines Baumes gelehnt, der so absurd groß war, daß Tally erst gar nicht versuchte, seinen Umfang zu schätzen. Trotzdem konnte sie sein Gesicht nicht richtig erkennen. Es war nur ein hellerer Schatten in dem wogenden Etwas, in dem sich die Wirklichkeit aufzulösen begann. Er war verletzt, aber das waren sie alle – Kratzer, die jeder für sich genommen nicht gefährlich waren, aber an ihren Kräften zehren würden.

»Wann können wir weiter?« fragte sie.

Karan schrak sichtlich zusammen, und auch Angella, die ein Stück neben ihm hockte, blickte Tally fast erschrocken an, und Tally fügte hinzu: »Ich meine, wann wird es endlich hell! Ich habe keine Lust, hier zu überwintern, weißt du?«

»Es ist hell«, antwortete Karan knapp.

Tally blinzelte. »Willst du sagen, daß das alles ist?« fragte sie ungläubig. Sie deutete nach oben. Wo der Himmel sein sollte, erstreckte sich eine geschlossene Decke aus wucherndem Grün und Braun. Kein Himmel. Nicht das kleinste Stückchen Himmel, dachte sie schaudernd.

»Es wird nicht heller?« vergewisserte sie sich.

»Nicht hier«, antwortete Karan. »Vielleicht später, wenn Karan eine Lichtung oder eine Schneise findet. Hier nicht. Dies hier ist das Dazwischen, von dem Karan erzählt hat. Weiter unten ist ewige Nacht. Im Wipfel herrscht Tag.«

»Dann sollten wir versuchen, in den Wipfel hinaufzukommen«, schlug Angella vor.

»Und zu sterben?« fragte Karan matt.

Angella gab einen ärgerlichen Laut von sich. »Hast du nicht vor weniger als einer Stunde behauptet, nur der Boden wäre tödlich?« fauchte sie.

»Der Schlund tötet überall«, erwiderte Karan ungerührt. »Aber an manchen Stellen tötet er schneller.« Er stand auf. Tally bemerkte, wie unsicher und langsam seine Bewegungen waren.

Auch Tally stand auf, machte einen Schritt in Karans Richtung und blieb sehr abrupt wieder stehen, als sie sah, worauf sie überhaupt ging. Für einen Moment sehnte sie die Dunkelheit fast zurück.

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Андрей Боярский

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