Bevor Conway antworten konnte, befahl der Captain in barschem Ton: „Gut, also los! Haslam, Chen, holen Sie die transportable Luftschleuse und die Schneidbrennerausrüstung raus. Diesmal suchen wir, mit Ausnahme von Doktor Prilicla, den Rand jeweils in Zweiergruppen ab. Der eine sucht ganz ohne Licht, und der andere richtet zur Hervorhebung von irgendwelchen Nähten den Scheinwerfer von der Seite auf die Außenhaut. Versuchen Sie irgend etwas zu finden, das wie eine Einstiegsluke aussieht. Und wenn wir die Luke nicht aufbekommen, dann schweißen Sie ein Loch hinein. Suchen Sie schnell, aber sorgfältig. Wenn wir in einer halben Stunde keinen Weg nach innen gefunden haben, schneiden wir die Oberseite in der Mitte der markierten Stelle auf und können nur hoffen, dabei keine Steuerungsgestänge oder Energieversorgungsleitungen zu treffen. Haben Sie noch was hinzuzufügen, Doktor?“
„Ja“, antwortete Conway. „Prilicla, können Sie mir noch irgend etwas Näheres über den Zustand der Überlebenden mitteilen?“
Conway befand sich bereits dicht hinter Fletcher auf dem Weg zurück zum Alienschiff, und der kleine Empath klebte mit den Magneten auf dem markierten Bereich des Rumpfs.
„Meine Erkenntnisse sind größtenteils negativ und beruhen eher auf Annahmen als auf Tatsachen“, erwiderte Prilicla. „Ich kann zwar bei keinem der beiden Wesen Schmerzen feststellen, dafür aber Hunger, Erstickungsgefühle und das dringende Bedürfnis nach irgend etwas, das für das Überleben unabdingbar ist. Eins der Wesen kämpft verzweifelt um sein Leben, während das zweite lediglich wütend zu sein scheint. Aber wegen der schwachen emotionalen Ausstrahlung kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei den beiden Wesen überhaupt um intelligente Lebensformen handelt. Allen Anzeichen nach ist das wütende wahrscheinlich ein nichtintelligentes Versuchs- oder Haustier. Aber wie gesagt, sind das alles nur reine Vermutungen, mein Freund, und ich kann mich auch völlig irren.“
„Das bezweifle ich“, entgegnete Conway. „Diese Hunger- und Erstickungsgefühle machen mich allerdings stutzig. Das Schiff ist doch überhaupt nicht beschädigt, und die Luft- und Nahrungsversorgung müßte noch intakt sein.“
„Vielleicht haben die beiden gar keine schweren körperlichen Verletzungen, sondern befinden sich im Endstadium einer Erkrankung der Atemwege, mein Freund“, antwortete Prilicla zaghaft.
„In diesem Fall muß ich wohl mal wieder einen wirksamen Zaubertrank gegen extraterrestrische Lungenentzündung zusammenbrauen“, merkte Murchison von der Rhabwar aus an. „Ich danke Ihnen, Doktor Prilicla!“
Die transportable Luftschleuse — ein dicker, leichtgewichtiger Metallzylinder, über den eine durchsichtige Kunststoffhülle gestülpt war, die später im ausgefalteten Zustand die Vorkammer bildete — wurde in der Nähe des Alienschiffs plaziert. Während Prilicla so nah wie physikalisch möglich bei den Überlebenden blieb, schlössen sich Chen und Haslam dem Captain und Conway an, um eine letzte Suche nach einer feinen Naht auf der Schiffshaut aufzunehmen, die möglicherweise auf eine Einstiegsluke hinwies.
Sie bemühten sich dabei, trotz aller gebotenen Gründlichkeit schnell vorzugehen, weil man nach Priliclas Meinung in bezug auf die Überlebenden keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Immerhin betrug der Schiffsdurchmesser fast achtzig Meter, und sie mußten in der vom Captain vorgegebenen halben Stunde eine enorm lange Strecke absuchen. Trotzdem, es mußte einfach einen Weg nach innen geben — ihr Hauptproblem war nur, daß die Schiffskonstruktion trotz der vielen rauhen und verkrusteten Stellen auf der Oberfläche ein Meisterwerk an technischer Präzision war.
„Wäre es nicht möglich, daß diese rauhen Stellen der Grund für die Notlage des Schiffs sind?“ fragte Conway plötzlich. Er hielt eine Seite seines Helms dicht über den Rumpf und beleuchtete mit dem Scheinwerfer im spitzen Winkel die gerade von Fletcher nach Nähten abgetastete Stelle.
„Vielleicht sind die Schwierigkeiten der Überlebenden nur eine Nebenerscheinung“, fuhr er fort. „Der schon fast unnatürlich gute Anschluß zwischen der Außenhaut und den Luken könnte als Schutz gegen eine Art von galoppierender Korrosion auf dem Heimatplaneten dieser Wesen dienen.“
Lange Zeit herrschte Schweigen, dann entgegnete Fletcher: „Das ist allerdings eine äußerst beunruhigende Vorstellung, Doktor, erst recht, weil Ihre galoppierende Korrosion auch unser eigenes Schiff befallen könnte.
Aber das glaube ich nicht. Die verkrusteten Flecken scheinen nämlich aus dem gleichen Material zu bestehen wie das Metall darunter — das sind keine Rostschichten. Außerdem befällt die Korrosion anscheinend gerade nicht die Nähte.“
Conway entgegnete darauf nichts. Tief im Innern seines Gehirns regte sich langsam eine Idee und nahm Gestalt an. Doch als die aufgeregte Stimme Chens in seinem Kopfhörer erklang, zerplatzte sie wieder wie eine Seifenblase.
„Hier drüben, Sir!“