„Physiologisch gesehen könnte diese Lebensform ziemlich ausgefallen sein“, sagte Murchison. „Vielleicht ein großes Wesen mit Greiforganen auf Bodenhöhe oder aber eine körperlich kleine Spezies, deren Schiff so konstruiert wurde, daß es auch von größeren Lebewesen besucht oder benutzt werden kann. Im letzteren Fall dürfte die Bergung nicht durch xenophobische Reaktionen der Überlebenden erschwert werden, da sie ja bereits von der Existenz anderer intelligenter Lebensformen und der möglichen Rettung durch eine Gruppe von Angehörigen einer fremden Spezies wissen.“
„Das hier ist wohl eher eine Frachtschleuse, Murchison“, bedauerte Fletcher. „Und es war auch eher die Fracht, die ein so großes Gewicht hatte, als einer Ihrer extraterrestrischen Freunde — falls es die überhaupt gibt. Sind Sie bereit hineinzugehen?“
Statt einer Antwort schaltete Murchison den Helmscheinwerfer auf einen breitgefächerten Lichtstrahl um. Conway und der Captain folgten ihrem Beispiel.
Fletcher hatte bereits mit Erfolg ausprobiert, ob er mit Haslam und Chen draußen vor dem Schiff und mit Dodds auf der Rhabwar den Funkverkehr in beide Richtungen aufrechterhalten konnte, indem er den Metallrumpf mit der Helmantenne berührte — denn auf diese Weise diente der Schiffsrumpf sozusagen als verlängerte Antenne. Jetzt kniete er sich hin und drückte auf den unter der Außenluke knapp über dem Boden angebrachten Schalter.
Die Luke schloß sich, und der Captain verfuhr ebenso mit dem gleichermaßen plazierten Schalter unter der Innenluke.
Ein paar Sekunden lang geschah gar nichts, doch dann hörten sie das Zischen der in die Schleusenkammer einströmenden Atmosphäre, und sie spürten, wie ihre aufgeblähten Anzüge durch den entstehenden Außendruck ein wenig eingedrückt wurden. Als sich die Innenluke schließlich öffnete und den Blick in einen langgestreckten, dunklen und anscheinend leeren Gang freigab, drückte Murchison geschäftig auf den Knöpfen ihres Analysators herum. „Was atmen die denn?“ fragte Conway. „Einen kleinen Moment noch, ich überprüfe das lieber zweimal“, antwortete Murchison.
Auf einmal öffnete sie das Visier, lächelte und sagte: „Beantwortet das deine Frage?“
Als er das eigene Helmvisier hob, knackten Conway wegen des leichten Luftdruckunterschieds die Ohren. „Die Überlebenden sind also warmblütige Sauerstoffatmer und benötigen ungefähr den auf der Erde herrschenden atmosphärischen Druck. Das erleichtert natürlich die Vorbereitungen zur Unterbringung auf der Station enorm.“
Fletcher zögerte kurz, dann öffnete auch er das Visier. „Zunächst müssen wir sie erst einmal finden“, gab er zu bedenken.
Sie betraten einen Korridor, der rundherum mit vollkommen glattem Metall ausgekleidet war — bis auf eine große Anzahl Beulen und Kratzer, die sich über eine Entfernung von ungefähr dreißig Metern bis in die Schiffsmitte erstreckten. Auf dem Boden am Ende des Gangs lag ein unidentifizierbares Etwas, das wie ein Gewirr von Metallstangen aussah, die aus einer dunkleren Substanz herausragten. Murchisons Fußmagneten verursachten laute, scharrende Geräusche, als sie darauf zurannte.
„Vorsichtig, Murchison“, rief Fletcher. „Falls Conways Theorie stimmt, haben sämtliche Schalter, Knöpfe und Hinweis- oder Warnschilder irgendwelche Sensor- oder Tastmechanismen. Und schließlich ist hier im Schiff immer noch Energie vorhanden, sonst hätte eben der Schleusenmechanismus nicht funktioniert. Wenn die Besatzungsmitglieder in vollkommener Dunkelheit leben und arbeiten, müssen wir mit den Fingern und Füßen denken lernen und dürfen nichts anfassen, was wie ein Rostfleck aussieht.“
„Ich werde schon vorsichtig sein, Captain“, antwortete Murchison.
An Conway gewandt sagte Fletcher: „Unter der Innenluke sitzt genau so ein Schalter wie bei den anderen.“ Er richtete den Helmscheinwerfer auf die fragliche Stelle und deutete dann auf einen kleineren Kreis, der sich ein paar Zentimeter rechts vom Schalter befand. „Bevor wir weitergehen, würde ich gerne den Zweck dieses Schalters herausfinden.“
„Na ja“, entgegnete Conway, „das einzige, was wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen können, ist, daß es sich bestimmt nicht um einen Lichtschalter handelt.“
Er lachte noch, als Fletcher auf die eine Hälfte des runden Betätigungsfelds drückte.
Murchison entfuhr vor Überraschung ein nicht eben vornehmes Grunzen, als der Korridor plötzlich von hellgelbem Licht aus einer unsichtbaren Quelle am anderen Ende des Gangs überflutet wurde.
„Kein Kommentar“, meinte der Captain nur.
Conway spürte, wie er vor Verlegenheit einen hochroten Kopf bekam, und murmelte irgend etwas wie, daß das Licht bestimmt dazu bestimmt sei, Besuchern das Leben an Bord problemloser zu gestalten.
„Falls diese hier Besucher gewesen sind, haben die aber sehr ernsthafte Probleme gehabt“, folgerte die am anderen Ende des Gangs angelangte Murchison. „Seht euch das mal an.“