Habe es allein – für dich – gepackt. Karl und Friedrich und Clara und Tito. Die ganze Bande ist drin. Erinnerst du dich? Du mochtest Karl. Slavkos Parteibuch möchte ich unbedingt dir schicken. Seine Festreden. Seine Aufsätze. Was für eine malerische Handschrift dein Opa hatte! Großbuchstaben wie Ranken! Niemand schreibt ja mehr mit der Hand. Bestimmt tippst auch du alles mit einer Schreibmaschine. Unanständig ist das! Wie soll man durch eine Maschine erfahren, mit wem man es zu tun hat? Oder willst du etwa nur den Lippenstift deines Mädchens küssen? Zeitungsartikel über Opa möchte ich unbedingt – dir – schicken! Du hast auf seinem Schoß gesessen und mit ihm Kreuzworträtsel gelöst! Ach, Slavko und seine Kreuzworträtsel! Was noch? Fotos von Vladimir Iljitsch, Fotos von Tito bekommst unbedingt du. Was ist das hier? »Die Aufgaben der revolutionären Jugend« ? Ja, wunderbar! Du bist die Jugend! Ach, die Handschrift deines Opas in den Kreuzworträtseln! Ach, Titos Uniform und wie gut wir es damals hatten, wir Schafe! Ich mochte das ganze Theater drum herum nicht leiden. Meinen Slavko habe ich doch nicht wegen seiner Tagungsprotokolle und seiner Referate geheiratet. Politik umarmt miserabel! Was soll ich noch mit Arbeiterliedern und Clara-Zetkin-Briefmarken und mit Flugzetteln, die erklären, wie man sich zu verhalten hat, wenn Tito in die Stadt kommt? Punkt eins: Schmücken wir unsere Terrassen und stellen wir so viele Grünpflanzen wie möglich aus! Nehmen wir alles andere außer den Grünpflanzen, zum Beispiel Unterhosen, Bettwäsche etc., von den Terrassen! Ja wo gibt es denn so was! Der ist auch gut, Punkt vier: Jeder soll mindestens eine Blume mitbringen, die auf die Straße zu werfen ist, und zwar hundert Meter vor dem ersten Wagen in Titos Kolonne. Auf den Wagen vom Genossen Tito darf auf keinen Fall etwas geworfen werden. Aleksandar, ich habe das alles nie gebraucht und du hast doch bestimmt immer noch Ambitionen dieser Art. Slavko und du seid zwar niemals über das Warenkapitel im »Kapital« hinausgekommen, ohne beide einzunicken, aber du hast daraus ganze Passagen auswendig zitiert. Und deine blaue Mütze und das rote Halstuch hast du sogar dann freiwillig getragen, wenn kein Feiertag war. Auch dann noch, als die Pionieruniform gar nicht mehr Pflicht war, Hände hinter dem Rücken verschränkt, wie es dein Opa immer getan hat. Beim Abschlussfest in der vierten Klasse warst du der Fahnenträger. Die halbe Schule ist hinter dir und der Roten Fahne marschiert. Deine Ohren haben vor Glück und Aufregung geglüht. Die Fahne war riesig. In einer Marschpause wurde ein Gedicht über die Stirn von irgendeinem Kommandanten aufgesagt, da hast du dich hingesetzt und die Fahne auf dem Boden abgelegt. Es gibt ein Foto, wie du dich vor der Fahne ausruhst. Das Foto möchte ich unbedingt – dir – schicken. Sag mal, öffnen die Deutschen immer noch alle Pakete aus Jugoslawien? Überwachen sie uns immer noch? Ich möchte dich nicht in die unangenehme Lage bringen, erklären zu müssen, wozu du das Material brauchst. Slavko sollte eine Rede beim neunten Kongress des BdKJ halten. Neunzehnsiebzig war das und keine kleine Sache. Es ist dann aber leider kein Referent krank geworden. Diese Rede möchte ich unbedingt – dir – schicken. Die Rolle und die Perspektiven von Ehe und Familie im Proletariat! Ach, Slavko und seine Perspektiven! Die Mutterfrage! Die Erziehungsfrage! Die sexuelle Frage! Hochaktuell! Slavko war empört über die Tugendheuchelei der Bourgeoisie! Und ich … ich war seine stolze Genossin! Ach, mein Slavko … Aleksandar, wann heiratest du endlich?
Als alles gut war
von Aleksandar Krsmanović
Mit einem Vorwort von Oma Katarina
und einem Aufsatz für Herrn Fazlagić