Ich habe es ihr ausgerichtet, sage ich, nachdem die Stille etwas zu still wird. Zoran blinzelt in die Sonne. Wir waren allein, wie du gesagt hast, ich habe ihr dann einfach erzählt, so und so ist es.
So und so ist es, wiederholt Zoran.
Ja, dass es dir Leid tut. Dass du dich entschuldigst. Ja, und dass es nicht wieder vorkommen wird …
Wie sah sie aus?
Was?
Wie sah meine Ankica aus?
Ja, hm, so wie immer, Locken und Augen und all das. Sie hat gesagt, du hättest schon die ersten beiden Male versprochen, dass es nicht mehr vorkommen wird. Sie hat gesagt, dass sie dich hasst und nie wieder sehen will. Sie hat gesagt, du sollst gefälligst keine Zwerge zu ihr schicken, wenn du mit ihr reden willst, das sei fast schlimmer als deine Unbeherrschtheit. Das fand ich wiederum nicht so gut von ihr.
Sie hat nicht Unbeherrschtheit gesagt. Zoran schüttelt den Kopf und schnippt eine Schale weg.
Sie hat Ohrfeigen gesagt, das hat sie gesagt. Es reicht, hat sie gesagt, du machst sie nicht mehr froh.
Dreimal hat Zoran seine Ankica schon geohrfeigt. Seine Ankica, von der jeder weiß, dass sie seine Ankica ist und dass Zoran Ankicas Zoran ist. Beim ersten Mal soll er zu ihr gesagt haben: das ist dafür, dass man mir etwas genommen hat, das ich niemals zurückbekomme.
Du solltest dich wirklich selbst bei ihr entschuldigen, Zoran, sage ich, und es ist mir peinlich, so etwas sagen zu müssen. Ich habe es in einem Film gehört, da klang es aber tausendmal besser und es ging um einen Detektiv, der lange Zeit die Falsche gejagt hatte.
Zoran steht auf und stützt sich bequem auf das Geländer. Er sieht sich wieder das Foto an.
Warum schlägst du sie wirklich?, frage ich ihn. Ich traue mich nicht, ihn auf seinen Teil der Abmachung anzusprechen.
Nach der Schule, sagt Zoran zum Foto, fahre ich in dieses Österreich. Und morgen gibt es für meine Ankica Rosen. Merk dir eins, Aleksandar: Blumen sind nicht einfach Blumen. Meine Ankica wird mitkommen, dann brauche ich keine Österreicherinnen, da können sie Bruce-Lee-Augen machen, so viel sie wollen. Servus, junges Frolein, Servus … Er verstaut das Foto in die Hemdtasche, sagt: so musst du dir nämlich dein Mädchen vom ersten Tag an halten, dann kann dir das, was meinem Vater passiert ist, niemals passieren:
Wann Blumen Blumen sind, wie Mister Hemingway und Genosse Marx zueinander stehen, wer der wahre Tetrismeister ist und wofür Bogoljub Balvans Schal sein Gesicht herhalten muss
An diesem Sonntag kamen Vater und ich aber schon am Morgen zurück nach Hause, sechs Stunden früher als geplant. Die Tür stand offen, offen stand auch der Reißverschluss von Bogoljub Balvan, dem Trafikanten. Meine Mutter kniete vor Bogoljub, das Haar zerzaust, als wäre sie gerade aufgewacht, dann aber hätte sie zumindest ihr Nachthemd angehabt. Sie streichelte die Trafikantenschenkel und schob den Kopf wie ein Huhn vor und zurück.
Der Blumenstrauß klemmte zwischen Vaters Hand und der Sporttasche, die Stängel platt gedrückt, aber Blumen sind Blumen. Ich sah ihn an, wollte, dass er mir dieses Huhn und diesen Trafikanten erklärt. Er ließ den Strauß fallen, die Tasche auf den Strauß. Noch hatten Mutter und Bogoljub uns nicht bemerkt. Vater führte seine Schiedsrichterpfeife zum Mund und pfiff. Die beiden erschraken, Mutter biss die Zähne zusammen, Bogoljub brüllte auf vor Schmerz. Sie machte sich vom Trafikantenschoß los, wischte sich über den Mund und taumelte auf Vater zu. Gott hilf mir, Milenko!, flehte sie mit Strähnen in der Stirn und riss Omas gehäkelte Decke vom Tisch, um sich zu bedecken. Die Blumenvase kippte und das Wasser ergoss sich über die Tischplatte, Blumen sind Blumen – Rosen aus Bogoljubs Trafik.
Moment mal, murmelte Vater und sprang auf sie zu. Kraftvoll streckte er den Arm aus: Offensivfoul. Mit der Faust deutete er ihr – bis dorthin und keinen Schritt näher. Auf dem Boden neben Bogoljubs Füßen lagen zwei Bücher. Moment mal, liegen dort Marx und Hemingway nebeneinander?
Bogoljub Balvan riss die Augen auf. Maria, Mutter Gottes !, winselte er, trippelte zwischen »Das Kapital« und »Der alte Mann und das Meer« und zog an seinem Reißverschluss. Heiligemuttergottes, piepste er und pustete auf die immer noch schmerzende Stelle im Schritt, Maria, mein Seelenheil, mach, dass er nicht klemmt!