Der König in Pohlen aber wäre nach seinen Humor, mit dem sye 4 Tag und Nacht ohne Unterlasß in Trinkhen zugebracht und in solche bruderliche Vertraulichkeith kommen, daß beede einen Kleidertausch getroffen, auch der Czar mit des König in Pohlen Rokch, Hueth und schlechten Degen in Moscau ankommen, welchen er noch bis heütig Tag an der Seithen führt. Es wolten auch die Czar[ische] May[estät] die grosß tragende Affection gegen den König in Pohlen seinen umbstehenden Bojaren und Ministrn (deren sehr vill waren) mit dergleichen Formalien offentlich zu erkennen geben: Der König in Pohlen ist mir lieber, alß alle ihr umbstehende, solang ich lebe, werde mit ihme in guther Verständtnuß und Bruderschafft bleiben, nicht darumben, weilen er König in Pohlen, sondern in Consideration seiner angenehmer Person. Ich bin auch von einem bey dem Czar sehr beliebten undt vertrauten in höchster Gehaimb benachrichtiget worden, ob solten höchsternennte Czar[ische] May[estät] vorgestern gegen Mitte der Nacht dero Princen in dem Schlosß Krembelin be- (F. 186) suchet und nach gegebenen dreymahligen Kusß undt andern Bezeugung der vätterlichen Liebe widerumb verlasßen. Volgenden Abendt seine Frau Muetter (die Czarisßin) zu Bewillkommung nach Bebraschensko dannoch in einer frembden und dem hießigem Postmeister zugehörigen Wohnung zu sich admittiret undt mit heimlichen Unterredungen 4 gantze Stundt zugebracht haben.
Wie verlauthen will, und zwar der Czar selber gegen etlichen geheimben Bojaren gesagt, das der König von Pohlen seinen gethanen Versprechen nach diese anruckende Winterszeit unfehlbarlich nacher Moscau kommen solte.
Indessen ist das (gestrigen Tags) eingefallene Rusßische neüe Jahr zwar dem Gebrauch nach feyerlich, jedoch nicht mit denen sonst gewöhnlichen, und sehenswürdigen Solennitäten begangen worden, masßen die Czar[ische] May[estät] an dergleichen alt hergebrachten Moscovit[ischen] Kirchen Observanzen kein sonders Vergnügen zeigen, und demnach auch fast alle geistliche ehe bevorgehaltene Ceremonien von Tag zu Tag mehr abnehmen und ruckstellig bleiben. Anstatt dieser sonst ueblichen Andacht hat der Veld- (F. 186 v.) herr ein kostbares Festin angestelt, alwo der Czar nebst villen Bojaren mit grosßen Gesundheiten unter Lößung der Stück (wie verwichenen Sambstag bey Le Fort) den Eingang dises neüen Jahrs bis an die Mitte Nacht vergnüglich celebriret.
Der Patriarch hat den 9ten hujus ein Audienz von 2 Stunden lang gehabt, in welcher er seine Entschuldigung wegen nicht vollbrachter Execution, die Czariste in das Closter zu stosßen, vorgewendet und auf etliche Bojaren und Geistliche die Schuld der verachten Czarischen Befelchen gelegt, welchen mit vorgebrachten villen Ursachen nicht einwilligen wollen. Ueber dießes die Czar[ische] May[estät] sich dergestalt ereyfert, das sye alßbald 3 Rusßische Poppen auf kleinen moscowit[ischen] Karrn unverziehlichen nach Bebraschensko zu führen anbefohlen undt bis zu weiterer Verordnung Seinem alldortigen Leib Regiment ad Custodiam übergeben, welches anbey den Patriarchen die Gnadt deß Czar zu erhalten, ein grosße Summa Gelds kosten solte.
Ob zwar die meiste geheimbe Bojaren, Ministri, (F. 187) König[liche] hier residirende Commissary, wie auch der pohlnisch- und dänische Envoyés dem G[ene]ral Le Fort die Visite schon gegeben, so habe jedoch damit bishero zurückgehalten, weilen wegen annoch nit gehabter, doch hoffentlich diße eingehende Wochen erlangend- offentlichen Audienz keinen passum publicum thun wollen, nach welcher ein gleichmäsßiges zu erstatten kein Bedencken trage, in Erwegung, das alle guet, undt üble Negotia dem Czar durch ihn vorgetragen werden, alß auch ich bey solchen umbständten seine affection zu gewinnen mich scheinbarlich bemühen mueß. Wormit zu beharrlichen Kay[serlichen] undt König[lichen] Gnadten mich in tieffester Devotion allerunterthänigst empfehle
Euer Kays[erlichen] May[estät]
allerunterth[änig]ster, gehorsambster
Christo[ph] Ignat[z] Edlh[er] v[on] Guarient und Rall
Moscau den 12. Sept[ember] 1698.