Sie zieht eine zerknitterte Anzughose, ein T-Shirt mit der Aufschrift »Esst mehr Haferbrei« und einen Strickpullover an. Der Pullover ist groß und reicht ihr bis zu den Knien. Ihr wird noch wärmer, und ihr Körper will sich entspannen. Plötzlich bricht sie in Tränen aus, beruhigt sich aber schnell wieder, wischt sich die Tränen von den Wangen und geht in den Flur, um nach Schuhen zu suchen. Sie findet ein Paar blauer Gummistiefel und kehrt ins Schlafzimmer zurück. Sie sieht, dass Björn lehmverschmiert und nass ist. Er zieht eine lila Velourhose durch den Schmutz. Seine Füße sehen furchtbar aus, erdig und voller Wunden, wo er geht, hinterlässt er eine Blutspur auf dem Boden. Er zieht ein blaues T-Shirt und ein schmales hellblaues Lederjackett mit breiten Aufschlägen an.
Penelope kommen wieder die Tränen, sie quellen hervor, und sie ist zu müde, hat einfach nicht mehr die Kraft, gegen sie anzukämpfen. In ihren Tränen liegt das ganze Grauen ihrer kopflosen Flucht.
»Was geht hier nur vor?«, jammert sie.
»Ich weiß es nicht«, flüstert Björn.
»Wir haben sein Gesicht nicht gesehen. Was will er? Was zum Teufel will er eigentlich? Ich kapiere gar nichts. Warum verfolgt er uns? Warum will er uns etwas antun?«
Sie wischt sich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen aus dem Gesicht.
»Ich denke«, fährt sie fort, »ich meine … stell dir vor, Viola hat etwas getan, etwas angestellt. Du weißt doch, ihr Typ, Sergej, mit dem sie Schluss gemacht hat, vielleicht ist der ja kriminell, ich weiß, dass er mal als Türsteher gejobbt hat.«
»Penny …«
»Ich meine ja nur, Viola ist so … vielleicht hat sie etwas getan, was man nicht tun darf.«
»Nein«, flüstert Björn.
»Was heißt hier nein, woher wollen wir das wissen, du brauchst mich nicht zu trösten.«
»Ich muss …«
»Er … dieser Mann, der uns verfolgt … vielleicht will er nur mit uns reden. Ich weiß, dass das nicht stimmt, ich meine nur, dass … ich weiß nicht, was ich meine.«
»Penny«, sagt Björn ernst. »Alles, was passiert ist, ist meine Schuld.«
Er sieht sie an. Seine Augen sind rot unterlaufen, seine Wangen zeichnen sich rot auf dem bleichen Gesicht ab.
»Was sagst du da? Was sagst du denn da?«, fragt sie leise.
Er schluckt.
»Ich habe eine schreckliche Dummheit begangen, Penny.«
»Was hast du getan?«
»Dieses Foto«, antwortet er. »Es geht die ganze Zeit um das Foto.«
»Welches Foto? Das von Palmcrona und Raphael Guidi?«
»Ja, ich habe mich bei Palmcrona gemeldet«, antwortet Björn. »Ich habe ihm von dem Bild erzählt und ihm gesagt, dass ich Geld haben will, aber …«
»Nein«, flüstert sie abrupt.
Penelope starrt ihn an, rückt von ihm ab und kippt versehentlich das Nachttischchen mit dem Wasserglas und dem Radiowecker um.
»Penny …«
»Nein, still«, unterbricht sie ihn mit lauter Stimme. »Ich kapiere gar nichts. Was sagst du da? Was zum Teufel sagst du denn da? Du kannst doch nicht … du kannst doch nicht … Sag mal, spinnst du, hast du Palmcrona erpresst? Hast du ausgenutzt, dass …«
»Aber jetzt hör mir doch mal zu! Es war falsch, ich weiß, er hat das Bild, ich habe ihm das Foto zugeschickt.«
Es wird still. Penelope versucht zu verstehen, was er gesagt hat. Wirre Gedanken schießen ihr durch den Kopf. Sie kämpft darum zu verstehen, was Björn ihr gerade gestanden hat.
»Das ist mein Foto«, sagt sie langsam und versucht, klar zu denken. »Es könnte wichtig sein. Es ist möglicherweise ein wichtiges Bild. Ich habe es vertraulich bekommen, es könnte jemanden geben, der etwas weiß, das …«
»Ich wollte doch nur nicht das Boot verkaufen müssen«, flüstert er und scheint den Tränen nahe zu sein.
»Aber irgendwie kapiere ich das nicht … Du hast das Foto Palmcrona geschickt?«
»Weil ich musste, Penny, weil mir klar wurde, dass ich einen Fehler gemacht hatte … ich musste ihm das Bild geben.«
»Aber … ich muss es haben«, sagt sie. »Begreifst du das nicht? Stell dir vor, die Person, die mir das Foto geschickt hat, meldet sich wieder bei mir und will es zurückhaben. Hier geht es um wichtige Dinge, schwedische Waffenexporte, nicht um dein Geld oder um uns, das ist kein Spiel, Björn.«
Penelope sieht ihn verzweifelt an, und ihre Stimme wird immer gellender.
»Hier geht es um Menschen, um ihr Leben. Ich bin enttäuscht«, sagt sie mit Nachdruck. »Ich bin so verdammt wütend auf dich, ich könnte dich schlagen, ich halte das nicht mehr aus.«
»Aber Penny, ich wusste doch nichts«, erwidert er. »Woher sollte ich das wissen? Du hast mir nichts gesagt, du hast gesagt, das Foto sei peinlich für Palmcrona, du hast nicht gesagt, dass …«
»Was spielt das denn jetzt für eine Rolle?«, unterbricht sie ihn.
»Ich dachte doch nur, dass …«
»Halt’s Maul!«, schreit sie. »Ich will deine Ausflüchte nicht hören, du bist ein Erpresser, ein gieriger kleiner Erpresser, ich kenne dich nicht, und du kennst mich nicht.«
Sie verstummt, und die beiden stehen sich eine Weile gegenüber. Über dem Wasser ruft eine Möwe, und weitere Möwen stimmen ein wie klagende Echos.
»Wir müssen weiter«, sagt Björn kraftlos.