Jacob ging weiter auf dem Bürgersteig und näherte sich dem Haus. Mittlerweile bewegte er sich vorsichtiger. Aus einem der großen Fenster des Ranchhauses mit zwei Ebenen drang ein bläulicher Lichtschein: Bascombe sah fern.
»Da kommt ’n Wagen!«, sagte Jacob im Flüsterton. Sie versteckten sich in einem Gebüsch, als ein Fahrzeug um die Ecke bog und die Straße heruntergefahren kam. Die Scheinwerfer erhellten die gesamte Umgebung. Nachdem es vorbeigefahren war, spürte Jacob sein Herz schlagen.
Ryan sagte: »Vielleicht sollten wir doch nicht …«
»Halt die Klappe.« Er trat aus dem Gebüsch. Die Straße war heller erleuchtet, als ihm lieb war, was nicht nur an den Straßenlaternen lag, sondern auch an den Weihnachtsdekorationen – überall in den Vorgärten erleuchtete Weihnachtsmänner, Rentiere und Krippendarstellungen. Immerhin, Bascombes Haus war etwas dunkler.
Jetzt schlichen sie sich ganz langsam an, wobei sie sich im Schatten der am Straßenrand geparkten Pkws hielten. Bascombes Wagen, ein grüner Plymouth Fury, Baujahr 71, den er jeden Sonntag wusch und wachste, stand vor der Garage, so nahe am Haus wie möglich. Im Gehen sah Jacob die schemenhafte Gestalt des alten Mannes, der im Lehnstuhl saß und auf einen riesigen Flachbildschirm starrte.
»Halt. Er sitzt da vorne. Zieh die Mütze runter. Und die Kapuze tiefer. Und den Schal vors Gesicht.«
Sie richteten ihre Kleidung so lange, bis ihre Gesichter kaum noch zu erkennen waren, und warteten im Dunkeln zwischen dem Wagen und einem großen Busch. Die Sekunden tickten.
»Mir ist kalt«, beschwerte sich Ryan.
»Halt die Klappe.«
Sie warteten. Jacob wollte die Sache nicht durchziehen, solange der alte Mann im Sessel saß; dann hätte der nämlich bloß aufstehen und sich umdrehen müssen – und hätte sie entdeckt. Sie mussten abwarten, bis er hochkam.
»Er könnte die ganze Nacht da in seinem Sessel hocken.«
»Halt endlich
Und dann stand der alte Mann auf. Das bläuliche Licht erhellte sein bärtiges Gesicht und die hagere Gestalt, als er am Fernseher vorbei in die Küche ging.
»Los!«
Jacob rannte zum Wagen, dicht gefolgt von Ryan.
»Mach ihn auf!«
Ryan klappte den Eierkarton auf, Jacob nahm ein Ei heraus. Ryan nahm auch eins, zögerte aber. Jacob warf sein Ei, was ein befriedigendes
»Was zum Teufel!«, hörten sie jemanden brüllen. Bascombe kam aus dem Seiteneingang des Hauses gelaufen. Einen Baseballschläger schwingend, rannte er auf sie zu.
Jacob rutschte das Herz in die Hose, er schrie: »Lauf!«
Ryan ließ den Eierkarton fallen, drehte sich um – und rutschte sofort auf einer spiegelglatten, vereisten Fläche aus.
»Scheiße!« Jacob drehte sich um, packte Ryan am Mantel und riss seinen Bruder hoch. Doch mittlerweile stand Bascombe quasi über ihnen, mit dem Baseballschläger in Schlagstellung.
Sie rannten von der Einfahrt runter auf die Straße, Bascombe hinterher. Zu Jacobs Überraschung kriegte er allerdings keinen Herzinfarkt, und er fiel auch nicht tot um, sondern lief unerwartet schnell, holte sie womöglich sogar ein. Ryan fing an zu wimmern.
Hinter ihnen schrie Bascombe: »Ihr verfluchten Bengel, ich schlag euch die Köpfe ein!«
Jacob flitzte, dicht gefolgt von Ryan, um die Ecke auf die Hillside, vorbei an einigen Geschäften mit heruntergelassenen Rollläden und einem Baseballfeld. Aber der alte Knacker verfolgte sie immer noch, er schrie und hielt dabei den Baseballschläger hoch über den Kopf. Offenbar ging ihm aber langsam die Puste aus, denn er fiel ein wenig zurück. Vor ihnen erblickte Jacob das Gelände des von Maschendrahtzaun umgebenen Gebrauchtwagenhandels. Dort sollten im nächsten Frühjahr Wohnungen gebaut werden. Vor einiger Zeit hatten ein paar Kids ein Loch in den Zaun geschnitten. Er lief auf die Öffnung zu und kroch hindurch, Ryan immer noch dichtauf. Endlich fiel Bascombe zurück, immer noch lauthals Drohungen ausstoßend.
Hinter dem Gebrauchtwagenhandel befand sich ein Gewerbegebiet mit mehreren baufälligen Gebäuden. Jacob erspähte eine Werkstatt in der Nähe, mit einer Tür, an der die Farbe abblätterte, und einem zerborstenen Fenster an der Seite. Inzwischen war Bascombe nicht mehr zu sehen. Vielleicht hatte er das Loch im Zaun übersehen, aber Jacob hatte das Gefühl, dass er immer noch hinter ihnen her war. Sie mussten ein besseres Versteck finden.
Er versuchte, die Tür zu der Autowerkstatt zu öffnen – verriegelt. Vorsichtig schob er den Arm durch das kaputte Fenster, tastete nach dem Türknauf, drehte ihn von innen. Knarrend öffnete sich die Tür.
Er betrat die Werkstatt, Ryan hinter ihm. Behutsam schloss er die Tür und drehte das Riegelschloss.
Schwer atmend standen sie im Dunkeln. Jacob glaubte, ihm würde gleich die Lunge platzen, und versuchte, leise zu sein.