Sie zeugen von jener fernen Zeit, da der geschmolzene Granit eben erst zu erstarren begann und noch ganz in feurigen Farben glühte.
So ward auch jüngst mein altes Herz von allen Seiten von jungen Frauenseelen bestürmt – und unter ihrer liebkosenden Berührung röteten sich seine seit langem verblaßten Farben, die Spuren ehemaligen Feuers!
Die Wellen sind wieder zurückgeströmt... die Farben aber sind noch nicht verblichen – mag auch scharfer Wind sie trocknen.
Die Tauben
Ich stand auf dem Rücken eines sanft abfallenden Hügels; vor mir breitete sich schimmernd wie ein Meer von Gold und Silber ein reifes Roggenfeld aus. Keine Wellen aber glitten über dieses Meer; bewegungslos war die schwüle Luft: ein starkes Gewitter braute sich zusammen.
Um mich herum strahlte noch die Sonne heiß und trübe; aber dort, hinter dem Roggenfelde, gar nicht mehr fern, lastete eine schwarzblaue Wolkenwand wie eine gewaltige Masse auf dem ganzen Halbkreise des Horizontes.
Alles war verstummt... alles war erstorben unter der unheildrohenden Glut der letzten Sonnenstrahlen. Nicht ein einziger Vogel war zu hören und zu sehen; sogar die Sperlinge hatten sich versteckt. Nur in der Nähe irgendwo raschelte und klatschte ein einsames großes Klettenblatt.
Wie stark der Wermut am Feldrain duftet! Ich schaute auf die blaue Wolkenmasse... und unruhige Erregung bemächtigte sich meiner. Nur schnell, schnell! dachte ich bei mir, blitze, du goldene Schlange, grolle, Donner! rege dich, wälze dich heran, ströme herab, drohende Wolke, und löse diese beklemmende Dumpfheit!
Doch die Wolke rührte sich nicht. Wie zuvor lastete sie auf der schweigenden Erde... und nur noch mächtiger ballte und verfinsterte sie sich.
Da mit einemmal erschien auf ihrem einfarbigen Blau ein schimmerndes Etwas in gleichmäßiger, schwimmender Bewegung; man konnte auf ein weißes Tüchlein raten oder auf eine Schneeflocke. Es war eine weiße Taube, die vom Dorfe herübergeflogen kam.
Sie flog, flog immer geradeaus, geradeaus... und verschwand hinterm Walde.
Einige Augenblicke vergingen – immer noch herrschte dieselbe furchtbare Stille... Doch sieh! Jetzt schimmern zwei Tüchlein, zwei Schneeflocken schweben zurück: in gleichmäßigem Fluge flattern zwei weiße Tauben heimwärts.
Und jetzt, endlich, brach der Sturm los – und der wilde Tanz begann!
Mit genauer Not erreichte ich das Haus. – Der Wind heult und tobt wie ein Rasender, gleich zerrissenen Fetzen jagen die fahlroten, niederhängenden Wolken dahin, alles dreht sich wirbelnd, stiebt durcheinander, wie eine senkrechte Säule peitscht und stürzt wütender Platzregen herab, die Blitze blenden in grünlichem Feuer, wie Kanonenschüsse krachen die Donnerschläge in kurzen Pausen, es riecht nach Schwefel... Aber unter dem vorspringenden Giebel, hart am Rande des Bodenfensters, sitzen dicht beisammen zwei Tauben – jene, welche nach ihrer Gefährtin ausgeflogen war – und die, welche sie heimgebracht und dadurch vielleicht gerettet hatte.
Beide haben sich dicht in ihr Flaumgefieder eingehüllt – und schmiegen sich Fittich an Fittich...
Ihnen ist wohl! Und auch mir ist wohl, wie ich sie so betrachte... Obgleich ich ganz allein bin... allein wie immer.
Morgen! Morgen!
Wie leer und schal und wie nichtig ist doch fast jeder durchlebte Tag! Wie geringfügig die Spuren, die er hinterläßt! Wie gedankenlos-stumpf verrannen all die Stunden, eine nach der anderen!
Und dennoch klammert sich der Mensch ans Dasein; ihn dünkt das Leben ein Schatz, all seine Hoffnungen baut er darauf, er baut sie auf sich selbst, auf die Zukunft... O, wieviel Glück erwartet er von der Zukunft!
Warum aber bildet er sich ein, daß die anderen, künftigen Tage dem ebenverflossenen nicht gleichen würden?
Doch das bildet er sich ja auch nicht ein. Ihm ist das Grübeln überhaupt zuwider – und er tut wohl daran.
»Ei, morgen, morgen!« – damit tröstet er sich, – so lange, bis ihn dieses Morgen ins Grab senkt.
Nun – und liegst du erst einmal im Grabe – dann hat dein Grübeln ganz von selbst ein Ende.
Die Natur
Mir träumte, ich träte in einen großen, unterirdischen Saal mit hohen Gewölben. Ein gewisses ebenso unterirdisches, gleichmäßiges Licht erfüllte den ganzen Raum.
Mitten im Saal saß ein majestätisches Weib in einem faltenreichen grünen Gewande. Das Haupt auf die Hand gestützt, schien sie in tiefes Nachdenken versunken.
Ich begriff sofort, daß dieses Weib – die Natur selbst war, – und wie plötzlicher kalter Hauch rannen Schauer der Ehrfurcht durch meine Seele.
Ich näherte mich dem sitzenden Weibe und neigte mich ehrerbietig: »O du unser aller gemeinsame Mutter!« rief ich aus. »Worüber sinnst du nach? Gelten deine Gedanken dem künftigen Schicksale der Menschheit? Oder der Frage, wie sie zur höchsten Vollkommenheit und Glückseligkeit gelangen könne?«
Langsam richtete das Weib ihre dunklen, strengen Augen auf mich. Ihre Lippen bewegten sich – und machtvoll erklang eine Stimme wie das Dröhnen des Eisens: