»Hier ist es, Herr«, sagte der Drache, ein riesiges rotes Ungeheuer mit glänzenden schwarzen Augen und einer Flügelspanne, die wie die Schatten der Nacht war. »Burg Dargaard. Warte, im Mondschein kannst du es deutlich erkennen… wenn sich die Wolken teilen.«
»Ich sehe es«, erwiderte eine tiefe Stimme. Der Drache, der den messerscharfen Zorn in der Stimme des Mannes hörte, begann eilig mit dem Abstieg, überprüfte kreisend die schwankende Luftströmung in den Bergen. Nervös beäugte der Drache die Burg, die von den Felsen des zerklüfteten Gebirges umgeben war, und hielt nach einem Platz Ausschau, wo er sanft und problemlos landen konnte. Es wäre nicht gut, Lord Ariakus durchzuschütteln.
Am nördlichsten Ende der Dargaard-Berge lag ihr Ziel – Burg Dargaard, so düster und unheilvoll wie ihre Legenden. Einst, als die Welt jung gewesen war, hatte Burg Dargaard die Gebirgsgipfel geschmückt, ihre rosenfarbenen Mauern hatten sich in anmutiger, mitreißender Schönheit von den Felsen in der Ebenmäßigkeit einer Rose abgehoben. Aber jetzt, dachte Ariakus grimmig, war die Rose verwelkt. Der Drachenfürst war keineswegs ein poetischer Mann. Aber die feuergeschwärzte, zerfallene Burg auf dem Fels sah einer verblühten Rose an einem sterbenden Strauch so ähnlich, daß ihn das Bild heftig traf. Schwarze Gitter, die sich von einem zerstörten Turm zum nächsten zerstörten Turm erstreckten, wirkten längst nicht mehr wie die Blumenblätter der Rose, sondern, sinnierte Ariakus, wie das Netz einer Spinne, deren Gift die Burg getötet hatte. Der große rote Drache kreiste ein letztes Mal. Die südliche Mauer, die früher einmal den Hof befestigt hatte, war während der Umwälzung einige hundert Meter tief zum Fuß des Felsens gestürzt und hatte so eine Art Durchgang zu den Toren der Burg hinterlassen. Erleichtert aufatmend, sah der rote Drache unter sich glatten Pflasterstein, der nur hier und dort Risse aufwies, geeignet für eine reibungslose Landung. Selbst Drachen – die nur wenige Dinge auf Krynn fürchteten – empfanden es als gesünder, Lord Ariakus’ Mißfallen zu vermeiden.
Unten im Hof setzte plötzlich rege Tätigkeit ein, wie bei einem Ameisenhaufen, der durch das Nahen einer Wespe aufgescheucht wird. Drakonier schrien und zeigten nach oben. Der Hauptmann der Nachtwache eilte auf die Zinnen und blickte über die Mauer. Die Drakonier hatten recht. Eine Schar roter Drachen landete im Hof, einer von ihnen trug einen Offizier, nach der Rüstung zu urteilen. Der Hauptmann beobachtete mit Unbehagen, wie der Mann aus dem Drachensattel sprang, noch bevor sein Reittier hielt. Der Drache schlug heftig mit seinen Flügeln in dem Versuch, nicht den Offizier zu treffen, und ließ Staub hinter ihm aufwirbeln, als er zielstrebig über den Hof zur Tür schritt. Seine schwarzen Stiefel klirrten wie Totengeläut über die Pflastersteine.
Bei diesem Gedanken keuchte der Hauptmann auf, denn er hatte den Offizier erkannt. Er drehte sich um und wäre in seiner Eile beinahe über einen Drakonier gestolpert. Er verfluchte den Soldaten und rannte durch die Burg auf der Suche nach dem eingesetzten Befehlshaber, Garibanus.
Lord Ariakus’ gepanzerte Faust schlug so heftig gegen die Holztür, daß die Splitter flogen. Drakonier krochen herbei, um sie zu öffnen, und wichen kriecherisch zurück, als der Drachenfürst hineinstolzierte, begleitet von einem kalten Windzug, der die Kerzen auslöschte und die Flammen der Fackeln zum Flakkern brachte.
Beim Eintreten warf Ariakus durch seine glänzende Maske schnell einen Blick in den langen, kreisförmig angelegten Korridor, über den sich eine kuppelförmige Decke wölbte. Zwei riesige geschwungene Treppen erhoben sich zu beiden Seiten des Eingangs und führten zu einem Balkon auf der zweiten Ebene. Als sich Ariakus umschaute, die kriecherischen Drakonier übersehend, sah er Garibanus aus einer Tür in der Nähe der Treppe hervortreten, der hastig seine Hose zuknöpfte und ein Hemd über seinen Kopf zog. Der Hauptmann der Nachtwache stand zitternd neben Garibanus und wies nach unten auf den Drachenfürsten.
Ariakus wußte sofort, welche Gesellschaft der eingesetzte Befehlshaber genossen hatte. Offenbar ersetzte er den fehlenden Bakaris in mehr als einer Hinsicht!
»
»L…Lord Ariakus«, stammelte er, stopfte sein Hemd in die Hose und eilte die Stufen hinab. »Das ist eine – äh – unerwartete Ehre.«
»Nicht
»Nun, vielleicht nicht«, sagte Garibanus mit einem nervösen Lachen.