»Ich bin auch noch nicht gestorben, so wie in dem Traum«, fügte Tolpan hilfsbereit hinzu. »Und ich habe schon Unmengen von Schlössern geknackt, nun, nicht Unmengen, aber hin und wieder ein paar, und keins war vergiftet. Außerdem, Laurana, Tanis würde nicht…«
Flint warf Tolpan einen warnenden Blick zu. Der Kender verstummte sofort. Aber Laurana hatte den Blick bemerkt und verstand. Ihre Lippen zogen sich zusammen.
»Doch, er würde. Und das wißt ihr auch. Er liebt sie.«
Laurana schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Ich mache es. Ich werde Bakaris austauschen.«
Flint seufzte tief. Er hatte das kommen sehen. »Laurana…«
»Warte eine Minute, Flint«, unterbrach sie ihn. »Wenn Tanis eine Nachricht erhalten würde, daß du im Sterben liegst, was würde er tun?«
»Darum geht es nicht«, murmelte Flint.
»Selbst wenn er in die Hölle gehen müßte, an tausend Drachen vorbei, er würde zu dir kommen…«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte Flint mürrisch.
»Nicht, wenn er Anführer einer Armee wäre. Nicht, wenn er Verantwortung tragen müßte, wenn Leute von ihm abhängen würden. Er würde wissen, daß ich verstehen…«
Lauranas Gesicht hätte aus Marmor gemeißelt sein können, so unbeweglich und rein und kalt war ihr Ausdruck. »Ich habe um diese Verantwortung nie gebeten. Ich wollte sie nie. Wir könnten es so aussehen lassen, als wäre Bakaris geflohen…«
»Mach das nicht, Laurana!« bettelte Tolpan. »Er ist der Offizier, der Derek und Fürst Alfred zum Turm des Oberklerikers zurückgebracht hat, der Offizier, dem du einen Pfeil in den Arm geschossen hast. Er haßt dich, Laurana! Ich… ich habe gesehen, wie er dich angesehen hat, als wir ihn gefangengenommen haben!«
Flints Augenbrauen zogen sich zusammen. »Die Herrschaften und dein Bruder sind noch unten. Wir sollten mit ihnen besprechen, wie wir diese Angelegenheit am besten handhaben…«
»Ich bespreche nichts«, stellte Laurana klar und hob ihr Kinn in der alten gebieterischen Weise, die der Zwerg nur zu gut kannte. »
»Vielleicht solltest du jemanden um Rat fragen…«
Laurana musterte den Zwerg mit bitterer Belustigung. »Wen denn?« fragte sie. »Gilthanas? Was sollte ich ihm sagen? Daß Kitiara und ich Liebhaber austauschen? Nein, wir werden es niemandem sagen. Was würden die Ritter mit Bakaris anstellen? Ihn nach ritterlichem Ritual hinrichten. Sie schulden mir etwas für das, was ich für sie getan habe. Ich nehme Bakaris als Lohn.«
»Laurana«, Flint suchte verzweifelt nach einem Weg, ihre eisige Maske zu durchdringen, »es gibt ein Protokoll, das bei einem Austausch von Gefangenen befolgt werden muß. Du hast recht. Du
»Ich bin nicht mehr am Hof meines Vaters!« fuhr Laurana ihn an. »Zur Hölle mit dem Protokoll!« Sie erhob sich und musterte Flint kühl, als ob sie ihn gerade erst kennengelernt hätte.
»Ich danke euch, mir die Nachricht überbracht zu haben. Ich muß vor Morgenanbruch noch eine Menge erledigen. Wenn ihr irgend etwas für Tanis übrig habt, dann geht bitte in eure Zimmer zurück und sagt niemandem etwas davon.«
Tolpan warf Flint einen alarmierten Blick zu. Der Zwerg errötete und versuchte eilig, seinen Fehler wiedergutzumachen.
»Nun, Laurana«, sagte er schroff, »nimm dir meine Worte nicht zu Herzen. Wenn du diesen Entschluß getroffen hast, werde ich dich unterstützen. Ich bin nur ein alter, brummiger Großvater, das ist alles. Ich mache mir Sorgen um dich, auch wenn du ein General bist. Und du solltest mich mitnehmen wie es im Brief steht…«
»Und mich auch!« schrie Tolpan entrüstet.
Flint funkelte ihn wütend an, aber Laurana bemerkte es nicht. Ihre Miene wurde weicher. »Ich danke dir, Flint. Dir auch, Tolpan«, sagte sie müde. »Es tut mir leid, daß ich euch angefahren habe. Aber ich glaube wirklich, ich sollte allein gehen.«
»Nein«, entgegnete Flint starrköpfig. »Ich sorge mich um Tanis genauso wie du. Wenn es wirklich stimmt, daß er im…«, der Zwerg schluckte und wischte mit einer Hand über seine Augen. Dann würgte er den Klumpen in seiner Kehle hinunter.
»Ich will bei ihm sein.«
»Ich
»Nun gut.« Laurana lächelte traurig. »Ich kann es verstehen. Und ich bin sicher, auch er will euch dabeihaben.«
Sie klang so sicher, so überzeugt, daß sie Tanis sehen würde. Der Zwerg erkannte es in ihren Augen. Er machte einen letzten Versuch. »Laurana, was ist, wenn es eine Falle ist? Ein Hinterhalt…«
Lauranas Miene gefror wieder. Ihre Augen verengten sich wütend, und Flint schwieg. Er blickte zu Tolpan. Der Kender schüttelte den Kopf.
Der alte Zwerg seufzte.
11
Die Strafe für Versagen