Aber der Zwerg hielt die Lanze mit seltsamem abwesendem Blick fest. Die Drachen kämpften und griffen sich mit den Klauen an und bissen sich mitten in der Luft; der Blaue krümmte sich, versuchte, sich von der Lanze zu befreien und gleichzeitig seinen Angreifer abzuwehren. Tolpan sah, daß der Offizier etwas schrie, und der Blaue brach einen Moment den Angriff ab, während er sich in der Luft hielt.
Mit bemerkenswerter Behendigkeit sprang der Offizier von einem Drachen auf den anderen. Mit seinem gesunden Arm packte er Khirsah am Hals und zog sich nach oben, seine kräftigen Beine und Oberschenkel klammerten sich fest um den Hals des kämpfenden Drachen.
Khirsah schenkte dem Menschen keine Beachtung. Seine Gedanken waren völlig auf seinen Feind gerichtet.
Der Offizier warf dem Kender und dem Zwerg schnell einen Blick zu und sah, daß beide keine große Gefahr darstellten; festgeschnallt an ihrem Sattel. Der Offizier zog kühl sein Langschwert und lehnte sich nach unten und begann, die Geschirrgurte am bronzenen Drachen, wo sie die Brust des Tieres vor den Flügeln überkreuzten, zu durchschneiden.
»Flint!« bettelte Tolpan. »Zieh die Lanze heraus! Sieh mal!«
Der Kender schüttelte den Zwerg. »Wenn dieser Offizier das Geschirr durchschneidet, wird unser Sattel hinunterfallen! Die Lanze wird hinunterfallen!
Flint drehte in plötzlichem Verstehen langsam seinen Kopf. Er bewegte sich immer noch mit quälender Langsamkeit, seine zitternde Hand fummelte an dem Mechanismus, der die Lanze zurückholen und die Drachen aus ihrer tödlichen Umarmung erlösen würde. Aber würde es noch rechtzeitig geschehen? Tolpan sah das Langschwert in der Luft aufblitzen. Er sah einen Geschirrgurt hängen und dann frei flattern. Es gab keine Zeit zum Denken oder Planen. Während Flint an dem Mechanismus hantierte, hatte sich Tolpan erhoben und die Zügel um seine Taille gebunden. Dann kroch der Kender am Zwerg vorbei, während er sich an den Rand des Sattels klammerte, bis er vor Flint war. Hier legte er sich flach auf den Hals des Drachen, wickelte seine Beine um die dornige Mähne des Drachen, kämpfte sich Zentimeter für Zentimeter nach vorn und kam leise hinter dem Offizier zum Halten.
Der Mann kümmerte sich überhaupt nicht um die beiden Reiter, da er annahm, daß beide sicher in ihren Geschirren gefangen wären. Da seine Aufmerksamkeit nur auf seine Arbeit gerichtet war – das Geschirr war fast gelöst -, wußte er nicht, was ihn traf.
Tolpan hatte sich erhoben und war auf den Rücken des Offiziers gesprungen. Der aufgeschreckte Offizier versuchte verzweifelt, sich am Hals des Drachen festzuklammern, und ließ sein Schwert fallen.
Vor Wut knurrend, versuchte der Offizier auszumachen, was ihn getroffen hatte, als plötzlich alles dunkel wurde. Kleine Arme wickelten sich um seinen Kopf und machten ihn blind. Hektisch lockerte der Offizier seinen Griff am Drachenhals, um sich von dem zu befreien, was – wie er in seiner Wut meinte eine Kreatur mit sechs Armen und Beinen sein mußte – die alle mit einer wanzenähnlichen Hartnäckigkeit an ihm klebten. Aber er spürte, daß er vom Drachen glitt, und war gezwungen, sich wieder an der Mähne festzuhalten.
»Flint! Mach die Lanze frei! Flint…« Tolpan wußte später nicht mehr, was er noch alles gesagt hatte. Der Boden kam immer näher, als die geschwächten Drachen vom Himmel stürzten. Er konnte nicht denken. Weiße Blitze barsten in seinem Kopf, während er sich mit seiner ganzen Kraft an den Offizier hängte, der immer noch unter ihm kämpfte.
Dann ertönte ein metallisches Dröhnen.
Die Lanze war gelöst. Die Drachen waren befreit.
Khirsah breitete seine Flügel aus und zog sich aus dem drehenden Tiefflug hoch. Himmel und Erde waren wieder in ihrer richtigen Position. Tränen strömten über Tolpans Wangen. Ich hatte keine Angst, sagte er sich immer wieder schluchzend. Aber nichts sah so schön aus wie dieser blaue, blaue Himmel der wieder da war, wo er hingehörte!
»Ist mit dir alles in Ordnung?« schrie der Kender.
Der bronzene Drache nickte erschöpft.
»Ich habe einen Gefangenen«, rief Tolpan, dem diese Tatsache plötzlich klar wurde. Langsam ließ er den Mann los, der benommen und halberwürgt seinen Kopf schüttelte.
»Ich nehme an, du wirst jetzt nirgendwohin flüchten«, murmelte Tolpan. Er glitt vom Rücken des Mannes und kroch über die Mähne auf die Schultern des Drachen. Tolpan sah, wie der Offizier in den Himmel spähte und seine Fäuste vor bitterer Wut zusammenballte, als er seine Drachen beobachtete, die von Laurana und ihrer Streitmacht langsam aus dem Himmel getrieben wurden. Der Blick des Offiziers blieb besonders lange auf Laurana haften, und plötzlich wußte Tolpan, wo er ihn schon gesehen hatte.
Der Kender hielt den Atem an. »Du bringst uns lieber nach unten zur Erde, Feuerblitz!« schrie er mit zitternden Händen.
»Beeil dich!«