Vielleicht... ja, dachte sie matt, vielleicht war das der Grund, aus dem sie so unbeteiligt schien. Die Erkenntnis, daß Angella und sie an diesem Berg scheitern mußten, kam nicht überraschend. Sie hatten ihn gesehen, während der letzten fünf Nächte, ein ganz allmählich größer werdender Schatten vor dem Nachthimmel, und irgendwie war es – jetzt – als hätte etwas in ihr die ganze Zeit über gewußt, wie unmöglich es war, ihn zu ersteigen.
Es war wie ein Stein, der noch gefehlt hatte, das Mosaik vollends zusammenzufügen, und der nur so und nicht anders sein konnte, sollte er passen. Der Endpunkt einer Entwicklung, die irgendwann einmal ihren Anfang genommen hatte und ihren Händen längst entglitten war. Vielleicht hatte sie niemals wirklich Einfluß darauf gehabt. Zum erstenmal, seit sie vor so unendlich langer Zeit als Kind aus dem Wald getreten war und ihre Heimatstadt in Trümmern unter sich liegen gesehen hatte, fragte sie sich, ob sie vielleicht nicht in Wahrheit nur ein Werkzeug war, das Werkzeug einer höheren, durch und durch grausamen Macht, auf deren Entscheidungen sie keinen Einfluß hatte.
»Unmöglich!« sagte Angella noch einmal. »Das... das schaffen wir nicht! Niemand schafft das!«
Tally schwieg. Sie spürte, daß Angella auf eine Antwort wartete, darauf wartete, daß sie irgend etwas sagte,
Sie blickte den Berg an, dann den Himmel, der sich ganz allmählich rot zu färben begann, und dann den Berggipfel. In wenigen Augenblicken würden die Drachen ausschwärmen. Es wäre leicht, dachte sie. Sie brauchten nichts anderes zu tu als einfach dazustehen und zu warten, bis sie sie sahen. Vielleicht würde der Tod im Feuer der Drachen entsetzlich sein, aber er würde nicht lange dauern. Ein kurzer Augenblick furchtbarer Hitze, vielleicht – und auch das nur
Aber es wäre falsch. Irgend etwas fehlte noch. Dies alles war nicht sinnlos gewesen, das spürte sie, sondern Teil eines sorgsam ausgeklüngelten Planes. Und sein Ziel war
Und dann wußte sie, was zu tun war.
Ganz langsam zog sie den Laser aus dem Gürtel, schaltete die Waffe ein und richtete sie auf den Berg. Angella erbleichte Schrecken. »Was tust du?« keuchte sie. »Du wirst alles verderben?
Und trotzdem zögerte sie noch.
»Geh«, sagte sie leise.
Angella starrte sie an. »Was... was hast du gesagt?«
»Geh«, wiederholte Tally. »Und auch du, Hrhon – ihr könnt gehen. Was jetzt kommt, geht nur noch mich an.« Angella starrte die Waffe in Tallys Hand an, dann sie selbst. »Du... du willst...«
»Ich will nicht«, unterbrach sie Tally, sehr leise, aber in einem Ton, der es Angella unmöglich machte, zu widersprechen. »Ich muß. Ich werde tun, was nötig ist. Ich mußt dort hinauf, und es gibt nur einen Weg, dies zu tun.«
»Als Jandhis Gefangene?« Angella lachte, aber es war wohl eher ein Schrei. »Das hättest du leichter haben können!«
Tally antwortete nicht. Wie sollte sie Angella erklären, daß es nur diesen und keinen anderen Weg gegeben hatte? Wie sollte sie etwas erklären, das sie selbst zwar wußte, aber nicht verstand? Wortlos schüttelte sie den Kopf.
Angella trat einen Schritt auf sie zu und blieb stehen, als Hrhon drohend die Hände hob. »Du... du bist wahnsinnig!« keuchte sie. »Ich bitte dich, Tally – überlege, was du tust! Sie werden dich umbringen!«
»Wahrscheinlich«, antwortete Tally. »Aber zuerst werden sie mich dort hinaufbringen. Alles andere zählt nicht.«