Rohan war zu sehr von der dramatischen Situation gefesselt, als daß ihn der Auftrag des Astrogators beunruhigt hätte. Im übrigen hätte er gar keine Zeit dazu gehabt. In dieser Nacht tat er kein Auge zu. Alle Einrichtungen des Superkopters waren zu überprüfen, zusätzliche Tonnen Treibstoff mußten getankt, Vorräte und Waffen mußten verladen werden, so daß sie mit Mühe und Not zur festgesetzten Stunde fertig wurden. Und die siebzig Tonnen schwere, zweistöckige Maschine hob sich, Sandwolken aufwirbelnd, in die Luft und flog pfeilgerade nach Nordosten, als der Rand der roten Sonnenscheibe eben am Horizont auftauchte. Gleich nach dem Start stieg Rohan auf fünfzehn Kilometer Höhe. Im Bereich der Stratosphäre konnte er Höchstgeschwindigkeit entwickeln, außerdem war er dort weniger in Gefahr, der schwarzen Wolke zu begegnen.
Das nahm er zumindest an.
Vielleicht hatte er recht, vielleicht war es aber auch nur ein glücklicher Zufall — jedenfalls setzten sie eine knappe Stunde später in der schrägen Sonne über einem versandeten Krater, dessen Boden noch im Morgendämmer lag, zur Landung an. Bevor die nach unten ausbrechenden, heißen Gassäulen Sandfontänen hochschleuderten, alarmierten die Bildoperateure die Navigationskabine mit der Meldung, etwas Verdächtiges im nördlichen Kraterteil entdeckt zu haben. Die schwere Flugmaschine hielt an, leicht zitternd wie auf einer unsichtbaren, gespannten Feder, und aus fünfhundert Meter Höhe wurde die Stelle einer eingehenden Betrachtung unterzogen.
Der Bildschirm des Vergrößerers zeigte auf graubraunem Hintergrund winzige Rechtecke, die sich in geometrischer Anordnung um ein größeres, stahlgraues Rechteck gruppierten.
Rohan erkannte gleichzeitig mit Gaarb und Ballmin, die neben ihm am Steuer saßen, die Fahrzeuge von Regnars Expedition.
Ohne zu zögern und unter Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln landeten sie nicht weit davon entfernt. Die Teleskopbeine des Superkopters arbeiteten noch und knickten gleichmäßig ein, als das Fallreep bereits hinabgelassen wurde und zwei mit einem beweglichen Kraftfeld abgeschirmte Aufklärungsmaschinen ausgesandt wurden. Das Kraterinnere ähnelte einer flachen Schüssel mit schartigen Rändern. Eine schwarzbraune Lavakruste bedeckte den zentralen Vulkankegel.
Um die anderthalb Kilometer zurückzulegen — so viel betrug ungefähr die Entfernung — , brauchten die Aufklärungsfahrzeuge wenige Minuten. Die Funkverbindung war ausgezeichnet. Rohan sprach mit Gaarb, der in dem ersten Transporter war.
„Die Steigung hört auf, gleich werden wir sie sehen“, sagte Gaarb einige Male, und plötzlich schrie er: „Da sind sie! Ich sehe sie!“ Ruhiger fügte er hinzu: „Anscheinend alles in Ordnung. Eins, zwei, drei, vier — alle Maschinen sind da. Aber warum stehen sie in der Sonne?“
„Und die Leute? Sehen Sie die Leute?“ erkundigte sich Rohan, der mit zusammengekniffenen Augen vor dem Mikrofon saß.
„Ja. Etwas bewegt sich dort… zwei Männer. Da, noch einer… und einer liegt im Schatten… Ich sehe sie, Rohan!“
Seine Stimme entfernte sich. Rohan hörte ihn etwas zu seinem Fahrer sagen. Dann ertönte ein dumpfes Echo vom Abschuß einer Rauchrakete. Gaarbs Stimme war wieder da.
„Das war zur Begrüßung. Der Rauch wurde ein bißchen in ihre Richtung geweht. Gleich wird er sich verteilen. Jarg, was ist dort? Was ist los? He, ihr da!“
Sein Schrei füllte auf einmal die ganze Kabine und brach ab. Rohan vernahm Motorengeräusch, das immer schwächer wurde und bald darauf verstummte, dann waren Laufschritte zu hören, undeutliche, durch die Entfernung gedämpfte Rufe, ein Aufschrei, ein zweiter, schließlich trat Stille ein.
„Hallo, Gaarb! Gaarb!“ wiederholte er mit starren Lippen.
Die Schritte im Sand näherten sich, der Lautsprecher knarrte.
„Rohan!“ Gaarbs Stimme klang fremd, er keuchte. „Rohan!
Dasselbe wie bei Kertelen! Sie sind nicht bei Sinnen, sie erkennen uns nicht, sie sprechen nicht… Rohan, hören Sie mich?“
„Ich höre. Sind alle so?“
„Es sieht so aus. Ich weiß es noch nicht. Jarg und Terner gehen von einem zum andern…“
„Was denn, und das Feld?“
„Das Feld ist ausgeschaltet. Es ist nicht da. Ich weiß nicht. Offenbar haben sie es ausgeschaltet.“
„Kampfspuren?“
„Nein, nichts. Die Fahrzeuge stehen da, alle heil, unbeschädigt.
Und die Männer liegen oder sitzen herum, man kann sie rütteln, soviel man… Was? Was ist dort los?“
An Rohans Ohr schlug ein verzerrter Laut, der von gedehntem Winseln unterbrochen wurde. Er biß die Zähne zusammen, aber er vermochte ein Gefühl der Übelkeit, das ihm in die Eingeweide schnitt, nicht zu überwinden.
„Allmächtiger Himmel, das ist Gralew!“ schrie Gaarb entsetzt auf. „Gralew! Mensch! Erkennen Sie mich nicht?“
Sein Atem füllte, verstärkt, die ganze Kabine.
„Er auch. .“, stieß er keuchend hervor. Dann schwieg er einen Augenblick, als wollte er Kräfte sammeln.
„Rohan, ich weiß nicht, ob wir allein damit fertig werden… Die müssen alle hier weg. Schicken Sie uns mehr Leute her.“
„Söfort.“