Von den drei betroffenen ETs hatte sich der Melfaner von der DBPK-Patientin während der Untersuchung und den nachfolgenden operativen Eingriffen die ganze Zeit am weitesten entfernt aufgehalten: das mußte irgend etwas bedeuten. Conway schüttelte verärgert den Kopf — es passierte einfach gleichzeitig zu viel, um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Er hatte überhaupt keine Chance nachzudenken… „Mein Freund“, sagte Prilicla, der mittlerweile zur DBPK-Patientin geflattert war. „Ich spüre bei der Patientin ein zunehmendes körperliches Unbehagen, das nicht mit den Verletzungen zusammenhängt und einer Art Befangenheit gleicht. Außerdem ist sie über irgend etwas äußerst beunruhigt, ohne allerdings Angst davor zu haben. Sie fühlt sich zutiefst schuldig und besorgt. Vielleicht leidet die Patientin nicht nur an den Verletzungen, die sie sich auf dem Schiff zugezogen hat, sondern auch an gewissen psychischen Störungen, wie sie bei Heranwachsenden, die in der Vorpubertät stecken, häufig vorkommen…“
Die geistige Verfassung der DBPK stand im Moment auf Conways Prioritätenliste ganz unten, deshalb war er nicht in der Lage, seine Ungeduld vor Prilicla zu verbergen.
„… darf ich die Gurte der Patientin ein bißchen lockern, mein Freund?“
fragte der Empath schnell.
„Ja, aber lassen Sie die Patientin bloß nicht frei“, antwortete Conway, merkte aber gleich darauf, daß diese Antwort ziemlich dumm gewesen war.
Schließlich stellte das kleine, pelzige und vollkommen harmlose Wesen selbst keine physische Bedrohung dar. Die Gefahr ging vielmehr von den Bakterien im Körper der Patientin aus — und die flogen ja offenbar schon überall auf der Station herum. Als Prilicla mit seinen feingliedrigen Greiforganen auf die Knöpfe drückte, mit denen die Gurte gelockert werden konnten, die die DBPK auf dem Untersuchungstisch festhielten, unternahm die Patientin keinen Fluchtversuch. Statt dessen drehte sie sich vorsichtig so weit, bis sie wie eine schlafende terrestrische Katze dalag — zusammengekugelt und den Kopf unter den langen und pelzigen Schwanz geschoben. Bis auf den nackten Fleck am Schwanzansatz, wo die Haut ein rötliches Braun aufwies, sah sie wie ein Hügel aus gestreiftem Fell aus.
„Sie fühlt sich jetzt sehr viel wohler, ist aber trotzdem noch beunruhigt, mein Freund“, berichtete der Cinrussker. Gleich darauf trippelte er an der Decke entlang, bis er sich über Thornnastor befand. Weil der bewußtlose Diagnostiker im Zentrum starker Emotionen lag, zitterte der Empath entsprechend.
Der TLTU hatte Thornnastors Hinterbeine mit Klebeband zusammengebunden und sich dann zurückgezogen, um dem Hudlarer und den vier Teammitgliedern ihre Arbeit zu ermöglichen. Jeweils ein Mann hatte sich ein vorderes oder mittleres Bein gegriffen, und zusammen mühten sie sich ab, die vier Gliedmaßen diagonal auseinanderzuspreizen, um die Brust des Tralthaners so weit wie möglich auszudehnen.
Der Hudlarer sagte gerade: „Gleichzeitig ziehen! Fester! Halt! Jetzt wieder loslassen!“ Als er ›loslassen‹ sagte, nahmen die Beine wieder die natürliche Position ein, während der Hudlarer selbst gleichzeitig mit seinem nicht unerheblichen Gewicht auf Thornnastors gewaltigen Brustkorb drückte, damit sich vor der Wiederholung dieses Vorgangs auch ganz bestimmt keine Luft mehr in der Lunge befand. Hinter den Visieren der Männer, die an Thornnastors Beinen zogen, waren gerötete, schweißüberströmte Gesichter zu erkennen, und einige der Äußerungen waren alles andere als übersetzungsreif.
Jedem Arzt, Pfleger und Wartungstechniker des Orbit Hospitals wurden die Grundlagen der auf alle Spezies der galaktischen Föderation anwendbaren Ersten Hilfe beigebracht. Sie lernten natürlich nur die Maßnahmen für solche Spezies, deren Umweltbedingungen nicht so übermäßig exotisch waren, daß ein Patient nur von einem Angehörigen seiner eigenen Spezies unverzüglich behandelt werden konnte. Nach der Regel zur künstlichen Beatmung eines tralthanischen FGLI mußte man dessen zwei Hinterbeine zusammenbinden und die restlichen vier spreizen und wieder zusammendrücken, um Luft in die Lunge des FGLIs zu pumpen. Die Atemmaske befand sich bei Thornnastor in der richtigen Lage, und der Diagnostiker war zum Atmen von reinem Sauerstoff gezwungen. Außerdem stand Prilicla bereit, um jede Veränderung von Thornnastors Zustand sofort zu melden.