Wie Sie wissen, besitze ich nicht die Qualifikation, extraterrestrische Krankheiten zu behandeln, und das Lebewesen ist zu groß, um es an Bord zu nehmen. Wir könnten allerdings unsere Hyperraumhülle ausdehnen und es bis zum Orbit Hospital im galaktischen Sektor zwölf ins Schlepptau nehmen.
Das wäre doch mal eine angenehme Abwechslung von diesem alltäglichen Kartographieren. Außerdem bin ich da noch nie gewesen“, fügte Brenner hoffnungsvoll hinzu. „Wie ich gehört hab, sollen dort nicht alle Schwestern sechs Beine haben.“
Der Captain schwieg für einen Augenblick und nickte dann. „Aber ich war schon mal da“, bemerkte er grinsend. „Manche Schwestern haben sogar noch mehr als sechs…“
Eingerahmt im Heckbildschirm des Rettungsschiffs, hing im galaktischen Sektor zwölf die gewaltige Konstruktion des Orbit Hospitals wie ein riesiger, zylindrischer Weihnachtsbaum frei im Raum. Die meisten der zigtausend Fenster waren fast durchgehend hell erleuchtet, wobei die Beleuchtung in den verrücktesten Farbkombinationen und unterschiedlichsten Stärken ausfiel, um den jeweiligen Ansprüchen der Sehorgane der Patienten und Mitarbeiter gerecht zu werden. Auf den dreihundertvierundachtzig Ebenen dieser einmaligen Einrichtung konnten die Umweltbedingungen sämtlicher der galaktischen Föderation bekannten Spezies reproduziert werden — ein biologisches Spektrum, das bei den unter extremen Kältebedingungen lebenden Methanarten begann und über die eher normalen Sauerstoff- und Chloratmer bis hin zu den Exoten reichte, die von der direkten Umwandlung harter Strahlung lebten.
Zusätzlich zu den Patienten, deren Anzahl und physiologische Klassifikationen sich ständig veränderten, gab es medizinisches sowie Wartungspersonal, das sich aus mehr als sechzig verschiedenen Lebensformen mit ebenso vielen unterschiedlichen Verhaltensweisen, Körpergerüchen und Lebensanschauungen zusammensetzte.
Die Mitarbeiter des Hospitals konnten sich rühmen, daß für sie kein Fall zu groß, zu klein oder zu hoffnungslos war, und ihr fachliches Können und ihre tatkräftige Unterstützung stand in der gesamten Galaxis hoch im Kurs.
Das hochqualifizierte Personal des Orbit Hospitals erledigte seine Arbeit zwar mit viel Engagement, war aber nicht immer ganz ernsthaft bei der Sache, und Chefarzt Doktor Conway konnte sich nicht von dem Gedanken befreien, daß ihm jemand bei dieser Gelegenheit einen heimtückischen Streich spielen wollte.
„Selbst jetzt, wo ich es sehe, kann ich es noch nicht recht glauben“, sagte er.
Pathologin Murchison, die neben ihm stand, starrte kommentarlos auf das Bild der Torrance und ihres Schleppguts.
Leicht zitternd haftete Dr. Prilicla mit seinen sechs zerbrechlichen Beinen, die an der Spitze mit Saugnäpfen versehen waren, an der Decke des Kontrollraums und sagte: „Immerhin könnte sich das als eine interessante berufliche Herausforderung erweisen, mein Freund.“
Die rollenden Schnalzlaute seiner melodischen cinrusskischen Sprache wurden zunächst von Conways Translator empfangen, dann zum gewaltigen Übersetzungscomputer im Zentrum des Hospitals übertragen und schließlich ohne merkbare Verzögerung als klang- und emotionsloses Terranisch wieder zu seinem Kopfhörer zurückgesendet. Wie nicht anders zu erwarten war, fiel seine Entgegnung freundlich, höflich und jeden Streit vermeidend aus.
Prilicla war ein sechsbeiniges, insektenartiges Wesen mit einem Ektoskelett und zwei schillernden, nicht ganz verkümmerten Flügelpaaren.
Diese Wesen besaßen hochentwickelte empathische Fähigkeiten. Nur auf seinem Heimatplaneten Cinruss, auf dem weniger als ein Achtel der Erdanziehungskraft herrschte, hatte eine Insektenspezies zu solcher Größe heranwachsen und mit der Zeit Intelligenz und eine fortschrittliche Zivilisation entwickeln können. Im Orbit Hospital allerdings befand sich Prilicla den größten Teil seines Arbeitstags in echter Todesgefahr.
Außerhalb seiner Unterkunft mußte er überall Schwerkraftneutralisatoren, sogenannte G-Gürtel, tragen, weil er unter dem Druck der Anziehungskraft, den die Mehrheit seiner Kollegen für normal hielt, regelrecht zermalmt worden wäre. Und wenn sich Prilicla mit irgend jemandem unterhielt, begab er sich sofort außer Reichweite seines Gegenübers, denn schon durch eine einzige gedankenlose Bewegung eines Arms oder Tentakels seines Gesprächspartners hätte ihm ein Bein abgerissen oder gar sein ganzer zerbrechlicher Körper zerstört werden können.
Natürlich wollte niemand im Krankenhaus Prilicla auf irgendeine Weise mutwillig verletzen, denn dazu war er bei allen viel zu beliebt. Durch seine empathischen Fähigkeiten war der kleine Cinrussker dazu gezwungen, zu allen freundlich zu sein und stets die passenden Worte zu finden, um die emotionale Ausstrahlung der Wesen in seiner näheren Umgebung für sich selbst so angenehm wie möglich zu gestalten.